Schnellere Erkennung von Antibiotika-Resistenzen?

Die Zeit drängt. So hatte das IHME paper “Global burden of bacterial antimicrobial resistance 1990–2021: a systematic analysis with forecasts to 2050” [1] gezeigt, dass Antibiotikaresistenzen weltweit weiterhin ein Hauptfaktor für Todesfälle sein werden. Der breite und unspezifische Einsatz von Antibiotika hat dazu geführt, dass sich mikrobielle Resistenzen gegen Antibiotika rasant ausgebreitet haben. Antibiotikaresistente Keime verursachen schon heute jährlich etwa 700.000 Todesfälle weltweit. Dies ist auch eine Gefahr für die Gesundheitssysteme und damit eine der drängendsten Herausforderungen. Wichtig bleibt eine möglichst schnelle Diagnostik, um überhaupt rechtzeitig reagieren zu können. Helfen soll dabei künftig ein neuer innovativer Diagnoseansatz, ein mikrofluidisches Schnelltestsystem mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen (SWCNT).
Neue Plattform soll entwickelt werden
In den kommenden 18 Monaten soll eine neuartige Plattform zur schnellen phänotypischen Antibiotikaresistenztestung (AST) entwickelt werden. „Die klinische Mikrobiologie braucht dringend flexible und schnelle AST-Tools, die mit der Geschwindigkeit des Infektionsgeschehens Schritt halten können“, erklärt Jan Stegemann, Projektleiter am Fraunhofer IMS. „Unser Ziel ist eine funktionale Plattform, die noch deutlich vor dem Zelltod des Erregers metabolische Veränderungen als zelluläre Stressreaktion auf ein Antibiotikum erkennt und so eine frühzeitige, evidenzbasierte Therapieentscheidung unterstützt.“
In nur wenigen Minuten verwertbare Erkenntnisse
Derzeit basieren viele marktübliche Systeme auf Zellwachstum in Mikrotiterplatten und benötigen 8 bis 16 Stunden, um zu einem Ergebnis zu kommen. Die neue Plattform „µFLOWDx“ soll künftig in nur wenigen Minuten verwertbare Erkenntnisse liefern und damit einen potenziellen Durchbruch für Forschung, Klinik und Pharmazie ermöglichen. Dies will das interdisziplinäre Projektteam mit einem innovativen Lösungsansatz erreichen. Damit der schnelle Nachweis funktioniert, müssen die aus Patientenproben stammenden Bakterien zum einen in der Messzelle angebunden werden. Dazu wird zum einen das mikrofluidische System der Diagnostikplattform mit speziellen Oberflächen ausgestattet, die eine hohe Adhäsion zu den Erregern zeigen. Zum anderen beinhaltet das System hochsensitive optische Sensoren auf Basis von fluoreszierenden Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Werden als Reaktion auf ein Antibiotikum Moleküle freigesetzt, die zellulären Stress anzeigen, etwa ATP oder Wasserstoffperoxid (H₂O₂), verändern die Sensoren ihre Fluoreszenz. So kann die mikrobielle Resistenz in Echtzeit durch Überströmen der adhärierten Patientenbakterien mit typischen Antibiotika untersucht werden: Ist der Erreger gegen das getestete Antibiotikum resistent, ändert sich das Fluoreszenzsignal des Sensors nicht.
Erste Marktanalysen zeigen hohes Interesse
Die Projektpartner bringen unterschiedliche Expertisen ein, um das angestrebte Ziel zu realisieren: Um eine hohe bakterielle Adhäsion an der Oberfläche der Mikrofluidik zu erreichen, entwickelt das Fraunhofer IGB geeignete Oberflächenmodifikationen. Für die Detektion von zellulären „Stress“-Molekülen bringt das Fraunhofer IMS seine Expertise in der Entwicklung sensitiver optischer Biosensoren basierend auf Kohlenstoff-Nanoröhrchen ein. Beide Komponenten werden in der mikrofluidischen Plattform vom Fraunhofer USA CMI integriert. Im Rahmen des Projekts soll ein funktionsfähiger Prototyp entstehen, der unter praxisnahen Bedingungen validiert werden kann. Perspektivisch ist auch eine Kommerzialisierung als Diagnostik-Tool geplant. Erste Marktanalysen zeigen ein hohes Interesse: Das Segment der klinischen Mikrobiologie wächst und wird von international führenden Unternehmen dominiert, jedoch ohne Lösungen, die eine vergleichbare Geschwindigkeit und Sensitivität bieten. Das geförderte Projekt läuft noch bis 31.12.2026.
Quelle: Fraunhofer IMS
Artikel teilen



