THS bei Parkinson: Optimierung der Therapie in Sicht?
Laut Parkinson-Gesellschaft sind allein in Deutschland aktuell bis zu 400.000 Menschen betroffen. Schreitet die Parkinsonerkrankung voran, kann es sein, dass die Betroffenen später nicht mehr gehen können. Dann kann eine tiefe Hirnstimulation infrage kommen. Dabei wird ein elektrischer Impulsgeber implantiert, zum Beispiel in die Gehirnregion des Nucleus subthalamicus, der funktionell zu den Basalganglien gezählt wird. Die Gruppe um Dr. Liana Melo-Thomas von der Philipps Universität Marburg konnte in bisherigen Studien mit Ratten zeigen, dass auch die Stimulation des inferioren Colliculus – der vornehmlich für die Verarbeitung auditorischer Eingänge bekannt ist – zu einer Überwindung der Bewegungsblockade genutzt werden kann. „Es gibt Hinweise darauf, dass die Stimulation dieser Hirnregion zur Aktivierung der sogenannten Mesencephalen Locomotor Region, kurz MLR, führt“, sagt Melo-Thomas.
Aktivierung alternativer motorischer Bahnen
Interessanterweise ist das Colliculus inferior – im Gegensatz zu den Basalganglien – von der Parkinson-Krankheit nicht betroffen; jedoch hat die Forschungsgruppe unter der Leitung von Melo-Thomas entdeckt, dass seine Stimulation alternative motorische Bahnen aktivieren und die motorische Leistungsfähigkeit der Patienten verbessern kann. Ziel der aktuellen Studie war es, den aktivierenden Einfluss des inferioren Colliculus auf die MLR weiter zu charakterisieren. „Wir vermuteten hierin einen positiven Effekt auf die Fähigkeit zu gehen“, so Melo-Thomas.
Einsatz der Optogenetik im Tierversuch
Dazu kooperierte die Marburger Gruppe unter Leitung von Prof. Dr. Rainer Schwarting mit Dr. Wolfgang Kruse vom Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und Neurobiologie der Ruhr-Universität Bochum. Das Bochumer Team unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Herlitze hat die Methoden der Optogenetik maßgeblich mitentwickelt. Dabei sorgen die Forscherinnen und Forscher dafür, dass die Nervenzellen genetisch veränderter Versuchstiere in interessanten Gehirnregionen ein lichtempfindliches Protein produzieren. Mit Licht, das über winzige, implantierte Fasern diese Nervenzellen erreicht, lassen sie sich dann gezielt aktivieren oder hemmen. „Die Methode ist somit viel genauer als eine elektrische Stimulation, bei auch immer die Umgebung der Zellen beeinflusst wird“, erklärt Kruse. Die Auswirkung der Stimulation sei erstmals auch direkt mit elektrophysiologischen Messungen der neuronalen Aktivität in den Zielstrukturen dokumentiert worden. Dabei kam ein Multi-Elektroden-System zum Einsatz, das ursprünglich an der Philipps Universität entwickelt wurde. Durch die Kombination der Methoden konnte das Forschungsteam die Wirkung der Stimulation direkt nachvollziehen. Die parallele Messung mit bis zu vier Elektroden sei darüber hinaus sehr effizient, sodass die Zahl der eingesetzten Tiere minimiert werden konnte. Zudem seien an wachen Tieren die Verhaltenseffekte kontrolliert worden, die durch die Stimulation ausgelöst werden können.
Funktionelle synaptische Verschaltung vermutet
Die optogenetische Reizung im Colliculus löste dort überwiegend die zu erwartende Zunahme neuronaler Aktivität aus. „Die gleichzeitige Messung in der tiefer gelegenen MLR-Region zeigte in der Mehrheit der Zellen erhöhte Aktivität, allerdings gab es auch ein knappes Viertel der Zellen, die von der zusätzlichen Aktivität im Colliculus gehemmt wurden“, berichtet Kruse. Die Aktivierung einzelner Nervenzellen erfolgte mit durchschnittlich 4,7 Millisekunden Verzögerung, was auf eine funktionelle synaptische Verschaltung zwischen inferiorem Colliculus und MLR deutet. Bei der Suche nach einem neuen therapeutischen Ansatz zur Linderung der motorischen Defizite bei Parkinson’scher Krankheit ist es vielversprechend, Schaltkreise zu untersuchen, die sich außerhalb des von den Auswirkungen der Erkrankung betroffenen Basalganglien befinden. Das trifft für die hier untersuchte Verbindung zwischen inferioren Colliculus und MLR zu.
Neue Therapieansätze in Sicht?
„Auch wenn der Weg zu neuen Therapieansätzen zur Linderung der Symptome der Parkinson’schen Krankheit noch weit erscheint, ist die Bedeutung solcher Grundlagenforschung hoch“, unterstreicht Kruse. Tatsächlich sind die genauen Wirkmechanismen, die beim Einsatz der tiefen Hirnstimulation in den Basalganglien zu der beobachtbaren Linderung der Symptome führen, nicht vollständig aufgeklärt. Eine weitere Untersuchung der zugrundeliegenden Schaltkreise kann hier neue Erkenntnisse liefern, die langfristig auch zu einer Optimierung der Therapie führen können.
Quelle: idw/Uni Marburg
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