Virologie: Von Grundlagenforschung bis Pandemieprävention
Was sind die wichtigsten Ziele des diesjährigen Europäischen Virologie-Kongresses?
Jonjic: Der ECV2025 befasst sich mit verschiedenen Aspekten der Virologie, darunter Grundlagen der Virologie, Pathogenese, Immunologie, Aspekte der öffentlichen Gesundheit, Entwicklung neuartiger Diagnose- und Forschungsinstrumente usw. Die Hauptaufgabe eines jeden Kongresses ist der Austausch von Wissen und neuesten Erkenntnissen sowie das Networking, das häufig zu neuen wissenschaftlichen Kooperationen führt. Wir erwarten Diskussionen zu Themen wie neu auftretende Virusinfektionen, Pandemien und neue Aspekte der Prävention und Therapie von Virusinfektionen. Wir eröffnen den Kongress mit einem Keynote-Vortrag von Prof. Rino Rappuoli, der sich auf die Prävention und Behandlung von neu auftretenden viralen Bedrohungen konzentriert. Für Nachwuchsforscher, insbesondere Doktoranden, bietet der Kongress eine wertvolle Gelegenheit zur Weiterbildung und zum Austausch mit erfahrenen Wissenschaftlern – und möglicherweise zur Erkundung von Optionen für eine zukünftige Ausbildung in anderen Laboren.
Welche neuen Fortschritte in der Immunabwehr gegen das Murine Cytomegalovirus (MCMV) werden auf diesem Kongress vorgestellt? Das Center of Proteomics in Rijeka forscht seit Jahren intensiv an diesem Virus, das als wichtiges Modell für das humane Cytomegalievirus (HCMV) dient.
Jonjic: Eine Reihe von Virologen und Immunologen, darunter auch unser Team aus Kroatien, wird seine Ergebnisse im Zusammenhang mit experimenteller Forschung zum MCMV vorstellen. Die Präsentationen werden Themen abdecken, die von der Pathogenese der Infektion in verschiedenen Geweben und Organen bis hin zur Immunantwort während einer latenten Infektion reichen. Es ist schwierig, einen einzelnen Beitrag oder Teilnehmer hervorzuheben, aber unsere Kollegen aus Rijeka werden beispielsweise ihre neuesten Forschungsergebnisse zu immunsubversiven Mechanismen vorstellen, die gleichzeitig auf Komponenten der angeborenen und der adaptiven Immunität abzielen. Sie werden auch neue Erkenntnisse über die Pathogenese von CMV-Infektionen im zentralen Nervensystem präsentieren, einschließlich der Rolle von Mikrogliazellen bei der Kontrolle und Überwachung latenter Infektionen.
Rückzug der USA aus internationalen Gesundheitsorganisationen
Welche Auswirkungen hatte der Rückzug der USA aus internationalen Gesundheitsorganisationen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf die globale virologische Forschung und Pandemievorsorge?
Jonjic: Eine traurige Geschichte, ich glaube nicht, dass es notwendig ist, die Bedeutung der WHO infrage zu stellen. Eine globalisierte Welt mit intensivem internationalem Reiseverkehr und einer globalisierten Wirtschaft erfordert koordinierte, globale Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten. Das war eine der Hauptbotschaften der jüngsten COVID-19-Pandemie. Man kann nur hoffen, dass die USA ihre Entscheidung überdenken und der WHO wieder beitreten, denn ohne die Beteiligung der USA ist die WHO definitiv nicht dieselbe.
Wie kann die internationale Gemeinschaft die durch die Trump-Regierung verursachten Schäden an der virologischen Forschung und der öffentlichen Gesundheit beheben?
Jonjic: Was die virologische Forschung betrifft, ist es derzeit schwierig, die Bereiche und das Ausmaß möglicher Schäden vorherzusagen. Es ist nicht nötig, die entscheidende Rolle der US-Wissenschaft, einschließlich der Virologie, für den globalen wissenschaftlichen Fortschritt zu betonen. Wir können nur hoffen, dass die jüngsten politischen Kurswechsel, die von der neuen Regierung eingeleitet wurden, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung von Wissenschaft und Universitäten, keine dauerhaften negativen Auswirkungen haben werden. Was die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit betrifft, bleibt abzuwarten, wie stark sich diese Veränderungen tatsächlich auf die globalen Trends in der Wissenschaft, einschließlich der Virologie und verwandter Disziplinen, auswirken werden.
Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Kongresses für die europäische Virologie-Gemeinschaft?
Jonjic: Die Wissenschaft lebt vom ständigen Austausch von Ideen, und Konferenzen sind dafür der beste Ort. Der Austausch von Wissenschaftlern zwischen Europa und den USA war und ist für beide Seiten von großer Bedeutung. Da jedoch von der EU und anderen europäischen Ländern viel größere Investitionen im Verteidigungsbereich angekündigt werden, könnte dies weniger Investitionen in die Wissenschaft bedeuten, aber das ist nur meine Spekulation. Wir haben auf dem Kongress kein spezielles Thema, das sich mit dieser Frage befasst, aber es besteht kein Zweifel, dass solche Fragen in den Diskussionen unter den Teilnehmern aufkommen werden.
Welche Themen werden Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren in der Virologie an Bedeutung gewinnen?
Jonjic: Die Prävention neu auftretender Virusinfektionen bei Menschen und Tieren durch neue Impfstoffgenerationen und die Entwicklung neuer Therapeutika für Viruserkrankungen waren und sind eine Priorität. Die Entwicklung neuer Technologien und neuer KI-Tools wird diese Prozesse sicherlich beschleunigen. Ein bedeutender Fortschritt wird jedoch nur möglich sein, wenn diese auch durch erhebliche Investitionen in die Grundlagen- und translationale Forschung unterstützt werden.
Einsatz von KI in der Virusforschung und -diagnostik
Wie bewerten Sie den Einsatz von KI in der Virusforschung und -diagnostik?
Jonjic: Die KI entwickelt sich rasant und bietet neue Möglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren. Ich sehe die KI als einen sehr wichtigen Faktor bei der Verwaltung von Daten und bei der Vorhersage und Entwicklung neuartiger Therapeutika. Aber ich bin sicher, dass wir weiterhin von dem, was als Nächstes kommt, überrascht sein werden. Die KI ist weder eine Insel noch ein Schuh, der jedem Fuß passt, und sollte durch echte Laborarbeit unterstützt werden.
Wie kam es zur Entscheidung, den Podcast „This Week in Virology (TWiV)“ live auf dem Kongress aufzuzeichnen?
Jonjic: Diese Idee entstand bei einem Treffen des wissenschaftlichen Ausschusses unseres Kongresses. Nicht ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass der Podcast „This Week in Virology“ bei Virologen sehr beliebt ist und auch über das Fachgebiet hinaus ein breites Publikum hat.
Welche Themen werden im Podcast voraussichtlich behandelt?
Jonjic: ECV2025 deckt eine Vielzahl von Themen ab, die mit dem TWiV-Team unter Leitung von Prof. Vincent Racaniello diskutiert worden sind. Die endgültige Auswahl der Podcast-Gäste und -Themen liegt vollständig in den Händen des TWiV-Teams und wird daher nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch für die Organisatoren von ECV 2025 eine Überraschung bleiben. Wir alle sind gespannt, wer zu TWiV eingeladen wird und welche Themen im Mittelpunkt stehen werden.
Die Rolle von Wissenschafts-Podcasts
Wie bewerten Sie die Rolle von Wissenschafts-Podcasts im Allgemeinen für die öffentliche Aufklärung über Virologie?
Jonjic: Ich persönlich mag Podcasts über Wissenschaft sehr gerne. Sie sind nicht nur sehr informativ und relevant, sondern stellen auch eine bequeme Möglichkeit dar, virologische Inhalte zu konsumieren, insbesondere für Menschen mit einem sehr vollen Terminkalender. Die Möglichkeit, unterwegs oder bei anderen Aktivitäten neues Wissen zu erwerben, macht diese Podcasts attraktiv und für ein breites Publikum zugänglich. Ein wichtiger Faktor für die Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Bedeutung der virologischen Forschung.
Welche sind für Sie wichtige Highlights der Tagung? Worauf freuen Sie sich besonders?
Jonjic: Aufgrund der Art der Veranstaltung wird erwartet, dass die meisten Präsentationen auf dem Kongress neu sind und somit für Überraschungen sorgen. In den letzten Jahren haben wir beispielsweise viel über die Rolle einiger Virusinfektionen bei der Pathogenese von Krankheiten wie neurodegenerativen Erkrankungen gelernt. Auf dem Kongress werden wir Vorträge und Präsentationen zu solchen Themen hören. Andererseits werden Viren oft als „die besten Zellbiologen“ bezeichnet, und die Erkenntnisse aus der virologischen Grundlagenforschung haben oft weitreichende Auswirkungen. Ebenso können Viren als Impfstoffe und Impfvektoren dienen, sodass dies auch eines der Themen ist, die uns interessieren. Schließlich freue ich mich und fühle mich geehrt, so viele fantastische Virologen in meinem Heimatland an einem so schönen Ort wie Cavtat begrüßen zu dürfen.
Quelle: Conventus
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