Zukunft der Pathologie

Interviews von der DGP-Jahrestagung in Leipzig
Die Interviews führte M. Reiter.
Tagungspräsident Prof. Dr. Philipp Ströbel im Interview mit MT im Dialog.
© DÄV/M. Reiter
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Tagungspräsident Prof. Dr. Philipp Ströbel betont die Umbruchsituation, in der sich aktuell die Pathologie befinde. Belastend seien die Nachwuchsprobleme, auch bei den MTL, sowie die steigenden Anforderungen. Dabei sei die Digitalisierung ein ganz entscheidendes Thema. Auf die Möglichkeiten der KI in der Pathologie geht Prof. Dr. Peter Boor ein. PD Dr. Katja Steiger beschreibt die neuen Entwicklungen im Biobanking.

Alle Vidoes finden Sie hier.

Transkript des Videos

Interview mit Tagungspräsident Prof. Dr. Philipp Ströbel, Prof. Dr. Peter Boor und PD Dr. Katja Steiger von der DGP Jahrestagung 2025 in Leipzig

Transkribiert mit noScribe Vers. 0.6

Reiter: Herr Professor Ströbel, wo steht die Pathologie in Deutschland?

Ströbel: Die Pathologie in Deutschland befindet sich aktuell in einer Umbruchsituation, würde ich sagen. Wir haben es mit der Situation zu tun, dass wir immer weniger berufstätige Pathologinnen und Pathologen haben, dass wir mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen haben und gleichzeitig die Anforderungen ständig steigen. Wir haben mehr Fälle, wir haben komplexere Fälle und wir haben hohe Anforderungen auch an die Prozessqualität mit Zertifizierungen, Akkreditierungen und verschiedenen anderen Auditierungen, mit denen wir ständig zu tun haben.

Reiter: Welchen Beitrag für mehr Effizienz, für mehr Qualität kann die Digitalisierung leisten? (.)

Ströbel: Also Digitalisierung ist ein ganz, ganz entscheidendes Thema und wir haben das in meinem Institut schon seit vielen Jahren sehr konsequent weiterverfolgt auf allen Ebenen. Digitalisierung ist ja sehr breit zu sehen. Das bedeutet, dass zum Beispiel unsere Proben alle barcodiert geführt werden. Das hat massive Erhöhungen für die Patientensicherheit. Es ist ein Thema für die Nachverfolgbarkeit von Proben. Also die Transparenz des Prozesses wird deutlich höher. Sie fragen wahrscheinlich jetzt aktuell auch nach der digitalen Mikroskopie, also der Digitalisierung von Slides. Das ist ein sehr wichtiges Feld auch, weil es uns hilft, unsere Arbeit zu flexibilisieren. Stichwort Homeoffice, Teilzeitarbeit, Netzwerkbildung, Zweitmeinung. Solche Dinge helfen uns da extrem. Und die Digitalisierung ist auch die Voraussetzung für die Implementierung von Verfahren der künstlichen Intelligenz, die, ich würde sagen, in Deutschland noch sehr in den Startöchern sind, aber die natürlich ein hohes Potenzial haben.

Reiter: Und welche Entwicklungen beobachten Sie bei MT, bei Ihnen im Haus und allgemein?

Ströbel: Ja, vielen Dank. Das ist eine ganz wichtige Frage. Ich habe schon kurz gesagt, dass im ärztlichen Bereich die Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sozusagen ein ganz wichtiger, limitierender Faktor ist. Und das gilt ganz genauso, mindestens genauso auch im medizinisch-technischen Bereich. Es ist in diesen, wir haben, ich glaube, schon angeklungen, wir arbeiten mit Hochtechnologie im Grunde. Und dafür braucht man auch entsprechend ausgebildete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und die zu finden und auch zu halten, wird zunehmend schwieriger. Wir sind da im Wettbewerb. Wir alle kämpfen mit ökonomischen Engpässen und Zwängen. Und das ist manchmal die Quadratur des Kreises, hier wirklich Personal zu finden, aber auch dann zu halten und auch zu qualifizieren.

Reiter: Herr Professor Boor, welche Vorteile verspricht die KI in der Pathologie? (.)

Boor: Das ist eine sehr gute Frage. Und ich muss sagen, so wie in allen anderen Bereichen des Lebens, auch in der Pathologie, bietet die KI Verbesserungen, Automatisierung und Präzisierung eigentlich von fast allen Prozessen, die wir in der Pathologie haben. Die Anwendungspunkte sind in jedem Bereich des Arbeitsprozesses. Wenn wir darüber nachdenken, zum Beispiel Daten, die wir als klinische Daten für die Diagnostik brauchen, wenn wir über Arbeitsablaufoptimierung und dann auch den Core Business der Pathologie, die Analyse der Histologie denken oder dann auch Spracherkennung als etwas, was wir schon längst nutzen oder Erstellung von Texten. Also Sie sehen, prinzipiell in jedem Bereich unseres Arbeitsprozesses gibt es die Möglichkeit, KI zu integrieren und somit auch zu automatisieren.

Reiter: Vor welchen Hindernissen steht denn ihre Durchsetzung? (..)

Boor: Das wichtigste Hindernis ist, dass eine effektive Nutzung von KI kann nur in einem digitalisierten System sein. Und wie soll ich das sagen? Wir wissen, dass wir in Deutschland nicht die Vorreiter der Digitalisierung sind. Das ist, glaube ich, die wichtigste Voraussetzung, dass wir medizinische Systeme und auch die Pathologie so digitalisieren, dass wir dann effektiv KI nutzen können. Aktuell ist es nicht so. (.) Aber auch hier gehen wir voran. Es sind schon vier Universitätsklinika, die voll digitalisiert sind. Auch wir in Aachen haben diesen Weg gewählt. Es hat uns zwar fünf Jahre gedauert, Change Management an verschiedenen Ebenen, aber jetzt sind wir soweit und gehen den digitalen Workflow. Und der ermöglicht uns, direkt am Anfang, direkt KI tatsächlich zu nutzen, um unsere Arbeit nochmal präziser zu gestalten und schneller und besser effektiv.

Reiter: Wie wirkt sich das auf die Arbeit der MTL aus?

Boor: Das ist sicherlich auch ein wichtiger Punkt. Die Digitalisierung sowie auch andere Methoden beeinflussen fast immer den gesamten Team und den gesamten Arbeitsprozess. Und genau auch so eine Digitalisierung der Pathologie ist etwas, was alle Bereiche, genauso auch die Medizinisch-Technische Assistentinnen und Assistenten beeinflusst. (.) Ein wichtiger Punkt, den man besprechen muss, ist, dass aktuell die Digitalisierung schon ein zusätzlicher Schritt ist. Das heißt, wir müssen die Slides digitalisieren und dafür brauchen wir zusätzliche Instrumente und auch Prozesse. Was vielleicht interessant ist, dass im Zuge dieser Digitalisierung eigentlich die meisten Institute berichten, dass sie dadurch bessere Qualität und Standardisierung sogar im Labor bekommen. Somit ist es auch ein Prozess, der uns hilft, in eine bessere Standardisierung und Qualitätssicherung zu gehen.

Reiter: Frau Dr. Steiger, was sind die neuen Entwicklungen im Biobanking?

Steiger: Wir sind ja hier auf einer Tagung für Pathologie. Das heißt, wir reden hier im Wesentlichen über das Gewebebiobanking. Im Gewebebiobanking sind wir seit vielen Jahren etabliert. Aber aktuell entwickelt sich natürlich sehr vieles in Richtung KI-basierte Methoden. Wir möchten in den nächsten Jahren mit zum Beispiel Large Language Models integriert arbeiten, sodass wir in der Lage sind, zum Beispiel Pathologiebefunde so auszulesen, dass wir tumortragende Blöcke identifizieren können, sodass eben die Identifikation und die Selektion von Kohorten schneller funktioniert. (.) Digitalisierung ist natürlich auch ein wesentlicher Punkt, den wir im Biobanking, im Tissue-Biobanking in Deutschland adressieren im Moment. Zum Beispiel Schnittdigitalisierung, aber auch die Digitalisierung von Workflows und von Schnittstellen, Standardisierung von Schnittstellen, sodass wir mit verschiedenen Systemen, Pathologie-Informationssystemen, Biobank-Informationssystemen zusammen gut arbeiten können und den Forschenden ihre Proben gut zur Verfügung stellen können.

Reiter: Was tut sich bei Organoids?

Steiger: Organoide sind ein wichtiger Punkt, der in der Forschung im Moment oder die in der Forschung im Moment sehr viel verwendet werden, die uns auch sicher im Sinne der Patientensicherheit und auch der Entwicklung der Therapien für Patienten weiterbringen werden in den nächsten Jahren. Hier sind wir gerade im Biobanking im Moment dabei, Methoden zu etablieren, die uns vielleicht ermöglichen, auch Organoide anders zu generieren, sodass wir hier standardisiert Gewebeproben zum Beispiel vorher testen können, ob hier Tumormaterial zum Beispiel enthalten ist, sodass wir auch hier den Forschenden das Material besser und qualitätsgesicherter zur Verfügung stellen können.

Reiter: Haben Sie noch Botschaften an die MTL, an die Medizinischen Technologen? (.)

Steiger: Auf jeden Fall. Also es ist eine wahnsinnig wichtige Personengruppe, ohne die wir im Gewebebiobanking nicht arbeiten könnten, die uns auch in unserer täglichen Arbeit extrem viel unterstützen, viel Arbeit machen und vor allem jetzt in dem Bereich, wo ich arbeite, auch sehr viel mit uns gemeinsam weiterentwickeln, zusammen mit den Pathologen immer an einem Strang ziehen und interdisziplinär arbeiten.


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