Zulassung von „Lecanemab" in der EU
Der Antikörper Lecanemab sei für eine Behandlung im frühen Stadium und das erste Medikament dieser Art, das in der EU zugelassen werde, teilte die Europäische Kommission mit. Fachleuten zufolge kommt aber nur ein sehr kleiner Teil der Alzheimer-Patienten für diese Therapie infrage. Das Medikament soll die Krankheit verlangsamen. Die Zulassung unterliegt, so die EU-Kommission, strengen Auflagen. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass der Nutzen des Arzneimittels bei einer bestimmten Gruppe von Patienten und unter bestimmten Voraussetzungen die Risiken überwiege.
Bei dem Alzheimer-Medikament handelt sich um einen technisch hergestellten Antikörper. Dieser attackiert sogenannte Amyloid-Proteine, die sich bei einer Alzheimer-Erkrankung im Gehirn ansammeln. Prof. Dr. Gabor Petzold, Neurologe und Direktor der klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) kommentiert die aktuelle Entwicklung: „Lecanemab bietet eine neuartige Behandlungsoption, die bei einem wichtigen Mechanismus der Alzheimer-Erkrankung ansetzt. Die Zulassung dieses Medikaments ist eine gute Nachricht für Menschen mit Alzheimer in Europa. Damit kommen wir in die Lage, die Alzheimer-Erkrankung an einer ihrer Wurzeln zu packen. Das ist ein echter Fortschritt. Vonseiten des DZNE möchten wir den Einsatz des Medikaments in Deutschland durch Einrichtung eines Registers wissenschaftlich begleiten, in dem Behandlungsdaten und Erfahrungen erfasst werden. Davon erhoffen wir uns wichtige Erkenntnisse über diese Therapie und dessen Fortentwicklung.“
Früherkennung von Demenz muss verbessert werden
Für unser Gesundheitssystem und die Forschung bleibe überdies noch viel zu tun. Die Früherkennung von Demenz müsse verbessert werden und es würden Medikamente benötigt, die noch wirksamer seien. „Alzheimer und auch andere neurodegenerative Erkrankungen haben zahlreiche Facetten. „Wollen wir die Häufigkeit von Alzheimer und anderer Demenzerkrankungen nachhaltig verringern, müssen wir an vielen Stellen ansetzen. Angesichts von rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz hierzulande, Tendenz steigend, stehen wir vor einer enormen Aufgabe.“
In einer gemeinsamen Studie haben die SRH University und die Universität des Saarlandes inzwischen außerdem herausgefunden, dass das weit verbreitete Schmerzmittel Ibuprofen den Stoffwechsel bestimmter Fette im Gehirn beeinflusst. Die speziellen Fettmoleküle stehen in enger Verbindung mit der Alzheimer-Erkrankung. Die Ergebnisse zeigen sowohl potenziell schützende als auch unerwünschte Effekte von Ibuprofen auf die Hirnchemie und könnten neue Ansätze für Therapie und Prävention eröffnen.
Positive Effekte von Ibuprofen auf den Lipidstoffwechsel
Das schmerzstillende und entzündungshemmende Mittel Ibuprofen wird seit einiger Zeit daraufhin untersucht, ob es das Alzheimer-Risiko beeinflussen kann. Bisher war allerdings unklar, wie Ibuprofen auf die biologischen Vorgänge im Gehirn wirkt – insbesondere auf die komplexen Fettstoffwechsel-Prozesse. Hier liefert die neue in-vitro-Laborstudie nun wichtige Einblicke: Die Forschungsgruppe untersuchte am Deutschen Institut für Demenzprävention (DIDP) anhand von kultivierten menschlichen Nervenzellen im Reagenzglas erstmals systematisch, welchen Einfluss Ibuprofen auf verschiedene Lipidklassen im Gehirn hat, die in der Alzheimer-Forschung bereits als relevant bekannt sind.
Die Ergebnisse zeigen, dass Ibuprofen die Konzentration bestimmter Lipide erhöht, die entscheidend für die Gesundheit der Hirnzellen sind. So stiegen die Gehalte von Phosphatidylcholin und Sphingomyelin – beides zentrale Bausteine der Zellmembranen von Nervenzellen. Diese Membranlipide sind im Gehirn von Alzheimer-Patient:innen typischerweise verringert, was mit einer gestörten Kommunikation zwischen den Nervenzellen und Zellschäden einhergeht. „Unsere Studie zeigt, dass Ibuprofen hier entgegen den krankhaften Veränderungen wirkt. Das könnte positiv für die Synapsen – also die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen – und gegen bestimmte zellschädigende Prozesse wirken“, erläutert Prof. Dr. habil. Marcus Grimm, Leiter der Studie und Studiengangsleiter am Campus Köln der SRH University.
Potenzielle negative Auswirkungen auf die Zellgesundheit
Andererseits fanden die Forschenden auch potenziell nachteilige Effekte. Ibuprofen ließ die Menge an Triacylglyceriden ansteigen. Diese Neutralfette dienen als Energiespeicher und können sich in Form von Fetttropfen in Zellen ablagern. Zudem führte das Medikament zu einer Abnahme der sogenannten Plasmalogene, schützenden Lipiden, die Zellen vor oxidativem Stress bewahren. Bei Alzheimer-Erkrankten sind die Plasmalogen-Spiegel bereits deutlich reduziert – Ibuprofen verstärkte nun diesen Effekt zusätzlich.
„Unsere Ergebnisse offenbaren hier eine zweischneidige Wirkung von Ibuprofen“, fasst Prof. Dr. habil. Marcus Grimm zusammen. „Einerseits könnten bestimmte durch Ibuprofen hervorgerufene Veränderungen an den Hirnfetten schützend sein. Andererseits sehen wir auch Veränderungen, die eher als kontraproduktiv einzustufen sind, weil sie Prozesse begünstigen könnten, die mit Alzheimer in Verbindung stehen.“
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