Die Forschenden des Helmholtz Zentrums München, des Forschungszentrums Jülich, der Technischen Universität München sowie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf nutzen diese Mikroorganismen, um sogenannte Fresszellen, die bei der Tumorentwicklung eine Rolle spielen, mit optoakustischen Methoden sichtbar zu machen. Zahlreiche Krebserkrankungen führen zu soliden, also festen Tumoren. In ihrem Inneren weisen diese Tumore große Unterschiede auf zellulärer und molekularbiologischer Ebene auf. Eine Komponente dafür ist die Lokalisation und Aktivität von sogenannten Fresszellen (Makrophagen)*. Obgleich diese Zellen essentiell für ein gesundes Immunsystems sind, spielen sie auch eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Tumoren. Mithilfe photosynthetischer Bakterien konnten nun neue optoakustische Methoden entwickelt werden, die aufzeigen, wo solche Fresszellen anwesend und aktiv sind.
Rhodobacter als indirekter Marker
„Wir konnten zeigen, dass sich die für den Menschen harmlosen Bakterien der Gattung Rhodobacter** indirekt als Marker für die Präsenz und Aktivität von Makrophagen eignen“, sagt Dr. Andre C. Stiel, Leiter der Arbeitsgruppe „Cell Engineering“ vom Institut für Biologische und Medizinische Bildgebung (IBMI) des Helmholtz Zentrums München. Rhodobacter erzeugen in großen Mengen das Pigment Bacteriochlorophyll a für ihre Photosynthese. Dieser Farbstoff ermöglichte den Forschenden, Bakterien im Tumor mit der multispektralen optoakustischen Tomografie (MSOT)*** aufzuspüren.
Wie funktioniert das Prinzip?
Makrophagen nehmen im Zuge ihrer natürlichen Fressaktivität – der sogenannten Phagozytose - die Bakterien auf. Dadurch ändert sich die Umgebung der Bakterien, deren Absorption von elektromagnetischer Strahlung und damit auch das optoakustische Signal. Rhodobacter fungieren als Sensoren: Sie geben Hinweise auf die Anwesenheit und Aktivität von Fresszellen.
„In weiteren Schritten können solche Bakterien Ansätze für nicht-invasive Technologien und somit völlig neue Wege für innovative Diagnose- und Therapieverfahren eröffnen“, ergänzt Dr. Thomas Drepper, Leiter der Arbeitsgruppe „Bacterial Photobiotechnology“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. So könnten in der Zukunft Bakterien sowohl die Lage von Tumoren anzeigen, als auch eine erhöhte Aktivität von Makrophagen aufdecken, die je nach Situation Hinweise auf unerwünschte Entzündungen oder auf das erwünschte Ansprechen immunologischer Therapien geben, und schlussendlich dafür genutzt werden, den Effekt von Therapien im Detail zu erforschen.
Weitere Informationen
*Wie man heute weiß, zeigen Tumore spezifische Mikroumgebungen. Zu dem Tumormikromilieu gehören u.a. Tumor-assoziierte Makrophagen. Diese Fresszellen sind Teil unseres Immunsystems. Bei der Krebserkrankung selbst sind sie an unerwünschten chronischen Entzündungen des Tumorgewebes beteiligt. Ein Prozess, der zum weiteren Fortschreiten der Erkrankung führt.
**Rhodobacter kommt weltweit in stehenden und fließenden Gewässern vor. Sie produzieren verschiedene Farbstoffe, um Photosynthese zu betreiben. Dazu gehört das im Experiment eingesetzte Bacteriochlorophyll a: ein Farbstoff, der sich für Untersuchungen per MSOT eignet, um solide Tumore zu lokalisieren. Beim Menschen führen Rhodobacter-Zellen nicht zu Infektionen.
***Bei einer MSOT-Aufnahme wandelt sich Licht zuerst in Schall und dann in visuelle Informationen um. Zunächst wird ein schwacher, pulsierender Laserstrahl auf das Körpergewebe gerichtet. Moleküle und Zellen, auf die der Strahl trifft, erwärmen sich geringfügig und reagieren mit minimalen Vibrationen, die wiederum Schallsignale erzeugen. Diese werden von Sensoren aufgenommen und in Bilder umgewandelt. Die Art und Weise, in der die einzelnen Zellen und Moleküle auf den Laser reagieren, hängt von ihren optischen Eigenschaften ab, etwa hier von den Eigenschaften bakterieller Farbstoffe.
Lena Peters et al. (2019): Phototrophic purple bacteria as optoacoustic in vivo reporters of macrophage activity. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-019-09081-5.
Quelle: idw/Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
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