Schäden bei Bluthochdruck: Welche Rolle spielt das Immunsystem?

Beobachtungen bei Zebrafischen
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Gehirn eines Zebrafisches mit Makrophagen/Mikroglia
Interaktionen zwischen Makrophagen/Mikroglia und Hirngefäßen führen zu Gefäßrückbildung und Zelltod im Gehirn. Das Bild zeigt das Gehirn eines Zebrafisches mit Makrophagen/Mikroglia in grün und Blutgefäßen in rot. © Maria P. Kotini, University of Basel
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Bluthochdruck schädigt Herz, Gehirn und Blutgefäße. Eine wichtige Rolle scheint dabei das Immunsystem zu spielen. Bei Zebrafischen bewirken Entzündungen, dass Makrophagen, Blutgefäße nicht schützen, sondern sie angreifen.

Ein anhaltend hoher Blutdruck ist eine starke Belastung für die Gefäße. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu Schäden an wichtigen Organen wie Gehirn, Herz, Nieren und Augen kommen. Bluthochdruck ist zudem einer der wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfall, aber auch für Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Er steht ganz oben auf der Rangliste der chronischen Gesundheitsprobleme: Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist betroffen, in Deutschland sogar knapp 44 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Herz, Hirn und Gefäße sind im gesunden Körper aber auch maßgeblich daran beteiligt, den Blutdruck zu regulieren. Nehmen sie durch dauerhaften Bluthochdruck Schaden, verlieren sie diese Fähigkeit – ein Teufelskreis.

Lebensstil umstellen

Damit der Blutdruck wieder sinkt, sollten Betroffene zuerst ihren Lebensstil umstellen: sich ausgewogen und salzarm ernähren, regelmäßig Sport treiben und aufs Rauchen verzichten. Auch verschiedene Medikamente wie Beta-Blocker oder ACE-Hemmer können helfen: „Herkömmliche Medikamente können zwar den Blutdruck senken, bei den vielen Betroffenen erreicht man damit aber nicht die erhoffte Schutzwirkung für die Organe“, sagt Dr. Suphansa Sawamiphak, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kardiovaskulär-Hämatopoetische Interaktionen“ am Max Delbrück Center. Das werde im Gehirn besonders deutlich, wo bei Bluthochdruck feine Blutgefäße durchlässig werden oder absterben. „Demnach muss es im Gesamtgeschehen noch weitere Schaltstellen geben, die wir mit konventionellen Wirkstoffen nicht erreichen.“

Rolle des Immunsystems

Schon länger ist bekannt, dass Bestandteile des Immunsystems hier eine Rolle spielen könnten. Entzündungsreaktionen im Körper tragen zum Bluthochdruck bei und ziehen Organe in Mitleidenschaft. Wie das im Detail abläuft, ist bislang aber nicht bekannt. Um den verantwortlichen biologischen Mechanismen auf den Grund zu gehen, untersuchte Sawamiphak zusammen mit ihrem Team am Max Delbrück Center und Kolleginnen und Kollegen aus Italien und der Schweiz Larven des Zebrafisches. „Das ist ein sehr gutes Modellsystem für viele Fragestellungen, weil wir die Tiere durch Veränderung der Umgebung leicht manipulieren können“, sagt die Biologin und erklärt weiter: „Weil junge Zebrafische durchsichtig sind, können wir die Auswirkungen am lebenden Tier beobachten.“

Makrophagen und Mikroglia umprogrammiert?

Um nun die Rolle des Immunsystems bei Bluthochdruck zu analysieren, haben die Forschenden Zebrafischlarven im Wasser mit niedriger Ionenkonzentration aufgezogen. Dadurch entsteht bei den Tieren ein Ionenungleichgewicht im Körper, das vergleichbar ist mit übermäßigem Salzkonsum beim Menschen und das zu Bluthochdruck führt. Anschließend haben sie untersucht, welche Auswirkungen dies auf die Blutgefäße im Gehirn hat. Nach den Beobachtungen der Forschenden führt Bluthochdruck zu mehr Makrophagen und Mikroglia, spezielle Immunzellen des Gehirns, die vermehrt auf Gefäßoberflächen treffen können. Sie treten dort mit dem Endothel in Kontakt und schwächen die Gefäßwände zunehmend. Auch die Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn vor schädlichen Substanzen und Krankheitserregern schützt, nimmt Schaden. „Das Interessante ist, dass Makrophagen und Mikroglia bei gesundem Blutdruck normalerweise die Gefäße schützen“, sagt Sawamiphak. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Makrophagen beziehungsweise Mikroglia bei Bluthochdruck regelrecht umprogrammiert werden.“

Beobachtung der Entzündungsbotenstoffe

Eine wichtige Rolle spielen dabei offenbar Entzündungsbotenstoffe wie IFN-Gamma, die unter Bluthochdruckbedingungen vermehrt ausgeschüttet werden. Um diesen Zusammenhang experimentell zu untermauern, schalteten die Forscherinnen und Forscher das Gen für einen Rezeptor aus, an den IFN-Gamma normalerweise bindet. Bei diesen Fischen hinterließ der Bluthochdruck keine Schäden in Blutgefäßen und Bluthirnschranke. Auch bei Mäusen gelang dem Team der Nachweis, dass Wirkstoffe, die IFN-Gamma hemmen, typische Begleiterscheinungen von Bluthochdruck – darunter Schäden der Blut-Hirn-Schranke, Abbau der Blutgefäße im Gehirn sowie kognitive Defizite – verhindern können.

Neue Angriffspunkte für die Therapie?

„Unsere Ergebnisse eröffnen eine völlig neue Perspektive auf die Rolle von Entzündungsvorgängen bei der Entstehung von Bluthochdruck“, unterstreicht Sawamiphak die Bedeutung ihrer Arbeit. Nun gelte es, die beteiligten Immunzellen und Immunmodulatoren genauer zu charakterisieren und ihre Rolle bei höheren Tieren bis hin zum Menschen zu überprüfen. Sollte sich dies bestätigen, hätte das Team mit dieser Studie neue Angriffspunkte für die Therapie bei Bluthochdruck gefunden. Davon würden insbesondere Betroffene profitieren, bei denen herkömmliche Wirkstoffe nicht vor zunehmenden Organschäden zu schützen vermögen.

Literatur:
Dilem C Apaydin, Bhakti I Zakarauskas-Seth, et al. (2023): Interferon-γ drives macrophage reprogramming, cerebrovascular remodeling, and cognitive dysfunction in a zebrafish and a mouse model of ion imbalance and pressure overload. Cardiovascular Research; DOI: doi.org/10.1093/cvr/cvac188.

Quelle: idw/MDC Berlin

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