Wozu brauchen wir Laktobazillen?

Herbert Hof
Die Abbildung zeigt eine stark vergrößerte Illustration zahlreicher roter, stäbchenförmiger Bakterien auf einer unregelmäßigen Gewebeoberfläche.
© Dr_Microbe/stock.adobe.com
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Eigentlich ist der Name Lactobacillus irreführend, denn diese ­Bakterien gehören nicht zu den Bazillen, sondern vielmehr zu den Milchsäurebakterien. Die Bezeichnung „Bazillen“, die von Laien gelegentlich für sämtliche Bakterien verwendet wird, ist nämlich nach Definition für Bacillus spp. (darunter B. anthracis, B. cereus, B. subtilis, B. stearothermophilus, B. pumilus) vorbehalten.

Zusammenfassung

Laktobazillen sind eigentlich keine Bazillen, denn sie bilden keine Sporen und produzieren auch keine Toxine. Derzeit kennt man ­circa 250 Arten von Lactobacillus. Diese grampositiven Stäbchenbakterien haben um ihre dicke Zellwand aus Peptidoglykan und Teichonsäuren herum noch einen S-Layer aus Protein, welcher für einige biologische Eigenschaften wichtig ist. Einige wenige Arten sind in der Medizin von Bedeutung. Zum Beispiel werden sie für die Produktion von verfeinerten Lebensmitteln verwendet, wie Joghurt, Sauerkraut, Apfelessig und viele andere mehr. Da sie in der Lage sind, pathogene Kontaminanten in der Nahrung, zum Beispiel Listerien, zu eliminieren, tragen sie zur Lebensmittelsicherheit bei. Manche Arten und davon bestimmte Stämme werden als Probiotika propagiert, weil sie angeblich nach oraler Aufnahme die Magenpassage überwinden und auch die Gallensalze im Dünndarm ertragen können, sodass sie dann auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms Einfluss nehmen und eventuell auch das lokale Immunsystem des Darmes stimulieren. Zudem spielen einige Arten, wie L. crispatus, L. gasseri, L. jensenii und zum Teil auch L. iners, eine ganz wichtige Rolle in der Vagina der Frau im gebärfähigen Alter, um ein Milieu zu schaffen, bei dem es potenziell pathogene Erreger schwer haben, sich niederzulassen. Dies erreichen sie, indem sie mit ihrer Oberfläche andere Bakterien aggregieren und sie damit hindern weiterzukommen. Sie binden sie fest an die Vaginalwand und verdrängen als Statthalter andere Bakterien. Das erreichen sie dadurch, dass sie die Epithelzellen aktivieren, antimikrobielle Oligopeptide, wie etwa β-Defensin, zu bilden, indem sie aus Glykogen beziehungsweise Zuckern Laktat bilden. Das senkt den pH-Wert im Vaginalsekret auf < 4,5 ab. Unter diesen Bedingungen können sich nur noch wenige andere Bakterien vermehren, weil sie Peroxide bilden, welche rasch bakterizid auf andere Bakterien wirken. Schlussendlich bilden sie ganz verschiedene Bacteriocine, das heißt antimikrobiell wirksame Oligopeptide, sodass die Vagina weitgehend frei von eingeschleppten Bakterien bleibt.

Schlüsselwörter: Lactobacillus spp., Joghurt, Vaginalflora, ­Bacteriocine, Probiotika

Abstract

In the proper sense lactobacilli are no bacilli, because they don’t form spores and they don’t produce toxins. Actually, about 250 species of Lactobacillus are known. The cell wall, composed mainly by peptidoglycan and teichoic acids, of these grampositive rods is surrounded by an S-layer consisting of proteins giving the bacteria particular biological functions. Only a few species of the lactobacilli play a role in medicine, namely by producing modified food items, such as yoghurt, sauerkraut, apple vinegar etc. Since they are able to eliminate contamination by pathogenic bacteria such as Listeria, they contribute to food safety. Some lactobacilli are considered as probiotics because they are able to survive the passage through the stomach after oral intake and even to withstand the activities of bile salts in the duodenum so that they can influence the composition of the gut microbiome and also to ­stimulate the intestinal immune system. In addition, some ­species, such as L. crispatus, L. gasseri, L. jensenii and at least to a certain extent L. iners, play a pivotal role in creating a particular vaginal milieu in women at a child-bearing age which inhibit the overgrowth by potentially pathogenic microorganisms. This is achieved by aggregating other bacteria and stopping their progression by binding them to the vaginal epithelium and, as surrogates, prohibit the adhesion of other bacteria. They achieve this by activating epithelial cells to produce antimicrobial oligopeptides, such as β-defensin, by producing lactate from glycogen or sugars lowering the pH in the vaginal secretions to < 4.5. This is detrimental for the growth of various other bacteria, by producing peroxides which are highly bactericidal to a large range of bacteria, and by producing a large number of bactericidal oligopeptides, namely bacteriocines, which will guarantee that the vagina will not experience bacterial overgrowth.

Keywords: Lactobacillus spp., yoghurt, vaginal flora, bacteriocins, probiotics

DOI: 10.53180/MTIMDIALOG.2025.0690

 

Entnommen aus MT im Dialog 10/2025

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