ESCO in der Praxis

Implementierung, Spezialrollen und strategische Perspektiven
Benoit Billebaut
Foto eines MT an seinem Arbeitsplatz, im Hintergrund ein MRT
© Svitlana/stock.adobe.com
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Mit der Veröffentlichung frei zugänglicher Programmierschnittstellen (Application Programming Interfaces, API) stellt die Europäische Kommission eine Art „Steckdose“ bereit, an die jedes Bewerbungs-, Lern- oder Qualitätsmanagementsystem andocken kann [1].

Einführung

Eine API liefert – vereinfacht gesprochen – vorgefertigte Kabel, über die Software automatisiert ESCO-Codes (ESCO: European Skills, Competences, Qualifications and Occupations) abrufen, speichern oder mit ­eigenen Daten verknüpfen kann. Wer etwa einen Lebenslauf hochlädt, übergibt ihn an die ESCO-API; dort werden die enthaltenen Tätigkeitsbegriffe erkannt, mit den passenden Skills verknüpft und strukturiert zurückgespielt. Erste Pilotprojekte belegen, dass damit Job-Matching- und Anerkennungsprozesse deutlich schneller ablaufen können und Kompetenzlücken datengestützt sichtbar ­werden [8].

Good-Practice-Beispiele für den klinischen Alltag

In einer Universitätsklinik erscheinen alle Stellenausschreibungen mit dem ESCO-Code Diagnostic Radiographer (2269–8–1) [2] und den fünf als „essential“ gekennzeichneten Skills – darunter Apply Radiation Protection Procedures und Operate Medical Imaging Equipment [3]. Die Personalsoftware gleicht diese Codes mit Bewerberprofilen ab; Kandidatinnen und Kandidaten ohne die erforder­lichen Kernkompetenzen werden gar nicht erst angezeigt, während fehlende MRI Safety Skills gezielt im Interview thematisiert werden.

Ein zweites imaginäres Beispiel liefert das innerbetriebliche Fortbildungsmanagement: Aus der Dienstplansoftware exportiert das Controlling anonymisierte Skill-Profile der Belegschaft und lässt sie von der ESCO-API analysieren [1]. Das Dashboard zeigt, dass im CT-Team der Skill Dose Optimisation unterdurchschnittlich vertreten ist. Binnen Minuten werden passende CPD-Module (Continuing Professional Development) vorgeschlagen, die wiederum ESCO-getaggt sind.

Auch Hochschulen/MTR-Schulen könnten profitieren: Ein Bachelorprogramm versieht jedes Lernziel mit einem ESCO-Skill-Code; halbjährlich prüft ein Automatismus, ob das Gesamtprofil noch lückenlos zur Occupation Radiographer [2] passt. Wird Manage Radiology Information System als neues „essential“ eingestuft, erhält das Modulteam einen Warnhinweis – und das Curriculum bleibt ­synchron zur Berufsrealität.

Das European Qualifications Framework (EQF) als Bezugsrahmen

Das European Qualifications Framework (EQF) ordnet allen europäischen Abschlüssen acht Kompetenzstufen zu und macht sie damit grenzübergreifend vergleichbar [4, 5]. Entscheidend sind die erreichten Learning Outcomes in den Kategorien Knowledge, Skills, Competence:

  • Level 6 (Bachelor) bestätigt „fortgeschrittenes Wissen“ und eigenverantwortliches Handeln,

  • Level 7 (Master) verlangt „hoch spezialisiertes Wissen“ und strategische Problemlösung,

  • Level 8 (Doktorat) steht für Forschung an der Spitze des Fachgebiets.

Da ESCO-Occupations eine EQF-Zahl tragen, erkennen Softwaresysteme sofort, ob eine Qualifikation dem Anforderungsniveau einer Stelle entspricht oder welche Weiterbildung zum nächsten Level führt.

Erweiterte mögliche Rollenprofile – RPO und MRSO

Leistungsstarke Radiologieabteilungen benötigen zunehmend spezialisierte Funktionen, die sich in ESCO als „Narrower Occupations“ abbilden lassen:

  • Ein Radiation Protection Officer (RPO) überwacht Dosimetrie, führt Risikoanalysen durch und schult das Personal. Der EFRS-Descriptor ordnet diese Rolle dem EQF-Level 7 zu und listet Kompetenzen wie Develop QA Programme oder Conduct Workplace Monitoring auf [6].

  • Ein Magnetic Resonance Safety Officer (MRSO) verantwortet das gesamte MRT-Sicherheitsökosystem: Implantat- und Quench-Management, Sequenzoptimierung für Hochrisikopatientinnen und -patienten, jährliche Safety-Audits sowie die Schulung aller Berufsgruppen, die den Kontrollbereich betreten [7]. Klinische Studien zeigen, dass Einrichtungen mit einem dedizierten MRSO die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle signifikant reduzieren können [7].

Strategische Chancen – ­datengestützte ­Planung und Politik

Eine konsequente ESCO-Nutzung schafft eine gemeinsame Daten­basis, auf der sich Personalplanung, Bildungspolitik und Qualitätsmanagement vernetzt steuern lassen. Einheitliche Codes können grenzüberschreitende Anerkennungsverfahren, wie sie etwa die EURATOM-Richtlinie fordert, erleichtern [6]. Skill-Gap-Analysen über die ESCO-API können frühzeitig zeigen, wo spezialisierte Rollen wie RPO oder MRSO fehlen, und ermöglichen passgenaue Fortbildungsplanungen [6–8]. Hochschulen können durch den Abgleich der EFRS-Benchmarking-Dokumente mit ESCO nachweisen, dass alle Learning Outcomes auf EQF-Level 6 beziehungsweise 7 abgedeckt sind [4, 5].

Fazit

Application Programming Interfaces machen ESCO vom statischen Katalog zum dynamischen Motor der Personal- und Bildungsentwicklung. Ob Klinik, Hochschule oder Berufsverband: Wer Stellen, Skills und Studienmodule systematisch mit ESCO verknüpft, reduziert Bürokratie, verbessert Sicherheits- und Qualitätsstandards und erhält datenbasierte Einblicke in zukünftige Kompetenzbedarfe.

 


Literatur

1. De Smedt J, le Vrang M, Papantoniou A: ESCO: Towards a Semantic Web for the European Labour Market. 2015.

2. European Commission: ESCO Occupation: Radiographer. Version 1.1.0; 2025.

3. European Commission: ESCO Occupation: Diagnostic Radiographer. Version 1.1.0; 2025.

4. European Federation of Radiographer Societies: European Qualifications Framework (EQF) Level 6 Benchmarking Document: Radiographers. 2nd ed. Utrecht 2018.

5. European Federation of Radiographer Societies: European Qualifications Framework (EQF) Level 7 Benchmarking Document: Radiographers. Utrecht 2017.

6. European Federation of Radiographer Societies: Radiation Protection Officer (RPO) Role Descriptor. Utrecht 2020.

7. European Federation of Radiographer Societies: Magnetic Resonance Safety Officer (MRSO) Role Descriptor. Utrecht 2021.

8. Le Vrang M, Papantoniou A, Pauwels E, et al.: ESCO: Boosting job matching in Europe with semantic interoperability. Computer 2014; 47 (10): 57–64.

 

Entnommen aus MT im Dialog 10/2025

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