Frau Said, Herr Treude, MVZ Prof. Dr. Uhlenbrock bietet eine breite Palette an Leistungen an. Wie schätzen Sie den derzeitigen Fachkräftemangel im Bereich MT-Berufe ein? Wo drückt der Schuh aktuell am meisten?
Said: Ich arbeite inzwischen seit fast sechs Jahren im Personalwesen, wobei ich durchgehend auch für Rekrutierung verantwortlich war. In dieser Zeit habe ich sowohl gewerbliche und kaufmännische sowie inzwischen auch medizinisches Fachpersonal rekrutiert. Der Fachkräftemangel ist in jeder Branche spürbar und hat insbesondere in den letzten paar Jahren Fahrt aufgenommen. Der Fachkräftemangel, wie er mir hier im Gesundheitswesen begegnet, ist jedoch noch einmal drastischer als in anderen Berufsfeldern, die ich zuvor bearbeitet habe. Die Nachbesetzung einer Stelle kostet aufgrund der vielfältigen, parallel laufenden Strategien mehr und ist viel langwieriger; teilweise dauert es Monate, eine Vakanz in der Radiologie zu besetzen. In der Nuklearmedizin und Strahlentherapie kann es noch länger dauern. Die sowieso schon hohe Belastung in der Patientenversorgung wird dadurch nur noch höher. Die Zukunftsperspektiven durch den demografischen Wandel machen da nicht unbedingt Hoffnung, also muss jedes Unternehmen aktives Zutun leisten, um den Fachkräftemangel zu kompensieren. Für uns ist die Strategie der Wahl, neben der Praxisanleitung von MTR-Schülern die Durchführung der Anerkennung von MTR, die ihre Ausbildung im Ausland abgeschlossen haben.
Sie schauen sich nach MTR im Ausland um. Was ist der Grund, auch über die deutschen Grenzen hinauszublicken? Und wo liegt Ihr Hauptinteresse?
Der Fachkräftemangel trifft insbesondere Ausbildungsberufe im medizinischen Bereich, weshalb die Stellenbesetzung in diesem Bereich deutschlandweit extrem schwierig geworden ist. Ausländische Fachkräfte sind oftmals sehr gut ausgebildet und verfügen sowohl über ein solides Grundlagenwissen im Zusammenhang mit dem MTR-Beruf als auch über Spezialwissen in den einzelnen Fachbereichen der Radiologie, Strahlentherapie oder Nuklearmedizin. Die Berufsaussichten für die Fachkräfte in ihren jeweiligen Heimatländern sind teilweise konträr zu denen in Deutschland, sodass für diese zumeist jungen Menschen ein beruflicher Wechsel inklusive Wohnortwechsel eine neue Chance bietet, um sich beruflich wie auch persönlich weiterzuentwickeln.
Viele MTR gehören der sogenannten „Boomer-Generation“ an und werden bald in Rente gehen. Denken Sie, dass in der Politik die prekäre Lage schon angekommen ist?
Die Lage im medizinischen Bereich ist tatsächlich prekär. Die Ausbildungsregularien fördern unserer Meinung nach nicht unbedingt das Interesse junger Menschen an diesem Arbeitsumfeld. Dazu erschweren die behördlichen Auflagen und Abläufe die Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland. Gleichwertigkeitsverfahren dauern sehr lange und die Gleichwertigkeitsbescheide legen im Vergleich zu den vergangenen Jahren immer mehr nachzuholende Stunden fest. Dementsprechend glauben wir, dass die Politik jetzt und zukünftig deutlich intensiver und schneller Lösungsansätze finden muss.
Was wäre aus Ihrer Sicht nötig, den Fachkräftemangel zumindest abzumildern?
Die Anreize für junge Menschen in Deutschland, sich für einen Ausbildungsberuf wie MTR zu entscheiden, müssten verbessert werden. Hier meinen wir in erster Linie nicht die finanziellen Aspekte, sondern vielmehr spielen eine frühzeitige Vermittlung des Berufsfeldes und der Berufsperspektiven eine große Rolle. Die Vielfältigkeit der Arbeitstätigkeit gepaart mit der hervorragenden beruflichen Perspektive des Berufs und der hohen sozialen Verantwortung, sind unserer Meinung nach starke Argumente für die Ausbildung zur/zum MTR. Im Fall der Fachkräfteeinwanderung ins Berufsfeld MTR muss ein transparenteres, einheitlicheres und schnelleres Überprüfungsverfahren geschaffen werden. Davon profitieren langfristig gesehen alle.
Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten beim Einsatz ausländischer Fachkräfte in Deutschland? Welche Rolle spielen die Sprachkenntnisse?
Die Sprache spielt eine sehr große Rolle, wenn nicht sogar die größte Rolle. Trotz teilweise sehr intensiver und langer Sprachkurse im Vorfeld der letztendlichen Tätigkeit in Deutschland haben ausländische Fachkräfte am meisten Probleme mit der Kommunikation. Alltags- und berufliche Kommunikation entscheiden sich oftmals extrem von der im Normalfall sehr ruhigen Lernumgebung in Sprachkursen. Hier entsteht bei ausländischen Fachkräften zu Beginn oft und schnell Frust, weil das Erlernte leider nicht so gut umgesetzt werden kann, wie im Vorfeld gehofft und gedacht. Hinzu kommt, dass von einem auf den anderen Moment alles unterschiedlich ist. Umzug nach Deutschland, räumliche Trennung von der Familie, neue Kultur, neue Arbeitsweise, neue Sprache, neues Klima. Auf all diese Dinge kann man im Vorfeld verweisen und bestmöglich vorbereiten, aber letztendlich geht jeder anders mit dieser großen Umstellung um. Hier gilt es, insbesondere das Bestandspersonal zu sensibilisieren und eine Arbeitskultur zu schaffen, die geduldig, verständnisvoll und unterstützend ist.
Wie läuft das Anerkennungsverfahren in NRW aus Ihrer Sicht?
Betrachtet man die Komplexität des Unterfangens, dass eine Berufsqualifizierung, die in vielen Ländern dieser Welt so unterschiedlich durchgeführt wird und unterschiedlich lange dauert, miteinander verglichen werden muss, auf den Individualfall heruntergebrochen werden muss und international verschiedenste Nachweise hin- und hergeschickt werden müssen, könnte es viel chaotischer laufen. Immerhin haben wir mit dem bestehenden Verfahren schon einige MTR erfolgreich durch die Anerkennung begleitet und viele tolle Erfolge gefeiert. Natürlich gibt es Verbesserungspotenzial: Das Verfahren ist bürokratisch und zeitaufwendig, oftmals weiß man nicht ganz genau, wo man sich im Prozess befindet und das Abschätzen der Eintritte fällt schwer. Für die Praxis wäre mehr Planbarkeit natürlich ein absoluter Vorteil. Weiteres Potenzial sehen wir bei der Berücksichtigung beruflicher Erfahrungen, wo man sicherlich noch einheitlicher und praxisorientierter vorgehen könnte. In vielen Fällen wird eine vollständige Anerkennung abgelehnt, weil die ausländische Ausbildung als „nicht gleichwertig“ mit der deutschen angesehen wird, auch wenn die praktischen Erfahrungen der Fachkraft vor Ort in ihrem Heimatland durchaus ausreichend gewesen sein könnten. Diese strenge Praxis könnte reformiert werden, indem nicht nur die formale Ausbildung, sondern auch die beruflichen Erfahrungen der Antragsteller stärker berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang könnte auch eine praxisorientierte Evaluierung an Bedeutung gewinnen. Eine Vereinfachung des Verfahrens, stärkere Unterstützung bei der Integration und eine pragmatischere Bewertung ausländischer Abschlüsse könnten dazu beitragen, die berufliche Integration von Fachkräften zu beschleunigen.
Und was sollte sich im Verfahren aus Ihrer Sicht konkret ändern?
Ein stärkerer Fokus auf die tatsächliche Berufserfahrung der Antragsteller würde dazu beitragen, das Anerkennungsverfahren zu beschleunigen und zugänglicher zu machen. Insbesondere bei ausländischen Fachkräften, die nachweislich über lange Jahre hinweg in ihrem Beruf tätig waren, könnte eine pragmatischere Prüfung durch Praktika, Eignungstests oder eine mündliche Prüfung erfolgen. Eintritte könnten schneller und bürokratieärmer erfolgen.
Wir sehen noch viel Potenzial in der sozialen Einbindung und Nutzung von Synergien. Durch die Einrichtung spezieller Beratungsstellen oder digitaler Plattformen, die ausländische Fachkräfte beim Anerkennungsprozess begleiten und auf diesen vorbereiten, könnte der Prozess für die Antragsteller transparenter und weniger frustrierend gestaltet werden. Diese Stellen könnten nicht nur Informationen über die benötigten Dokumente und Sprachanforderungen bieten, sondern auch über Finanzierungsmöglichkeiten, Weiterbildungen und berufliche Integration. Mentorenprogramme, bei denen erfahrene MTR aus Deutschland die ausländischen Fachkräfte begleiten, könnten den Integrationsprozess zusätzlich erleichtern und den Austausch von Wissen und Erfahrungen fördern.
Greifen Sie den ausländischen Fachkräften unter die Arme, wenn die Finanzierung des Anerkennungsverfahrens ungeklärt ist?
Einen sehr drastischen Fall hatten wir diesbezüglich zwar noch nicht, aber es kommt vor, dass wir unseren MTR in Anerkennung bei Herausforderungen Optionen der finanziellen Unterstützung anbieten. Das kann Wohnen betreffen, aber auch andere Lebensbereiche. Wichtig ist das Verständnis für die Situation der Fachkräfte, die ihr Leben innerhalb kurzer Zeit drastisch umstellen. Sie lassen Familie und Freunde in der Heimat zurück und bauen sich hier eine komplett neue Existenz auf. Es kommen neben wirtschaftlichen Herausforderungen viele weitere, insbesondere soziale hinzu, sodass es unabdingbar ist, miteinander zu sprechen, was es braucht, um den Start so „einfach“ wie möglich zu machen. Zum Glück haben wir unsere kompetenten Praxisteams, von denen einige bereits sehr erfahren in der Einarbeitung und Einbindung der MTR in Anerkennung sind. Die Kolleginnen und Kollegen sind die ersten und erstmal wichtigsten Kontakte der neuen Fachkräfte. Soziale Integration, Einbindung in den Alltag und Kommunikation sind ebenso wichtig, manchmal sogar noch wichtiger als die finanzielle Seite.
Entnommen aus MT im Dialog 5/2025
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