Bessere Erkennung von Entzündungserkrankungen?

Möglicher neuer Laborwert
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Chemische Formel von Tryptophan
© Zerbor/stock.adobe.com
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Wissenschaftler haben entdeckt, dass ein erhöhter Verbrauch von Tryptophan bei einer Vielzahl chronischer Entzündungserkrankungen einen Hinweis auf minimale Restentzündung geben kann.

Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure. Viele dürften sie als Wirkstoff bei Schlafstörungen kennen, denn sie ist indiziert zur Förderung der Schlafbereitschaft und Erleichterung des Einschlafens. Sie ist die physiologische Vorstufe von Serotonin. Da sie nicht vom Körper hergestellt werden kann, muss sie mit der Ernährung zugeführt werden. Doch Tryptophan spielt auch eine Rolle bei Entzündungsprozessen. So wird bspw. bei Menschen mit chronischen Darmentzündungen Tryptophan deutlich stärker als bei Gesunden verbraucht. Das haben vorangegangene Forschungsarbeiten, auch unter Beteiligung von Mitgliedern des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), gezeigt. Weitere Studien konnten dies ebenfalls bei einzelnen anderen Entzündungskrankheiten finden. Nun haben PMI-Clustermitglieder in einer systematischen Analyse zeigen können, dass dieser Tryptophanverbrauch als Folge der Entzündung bei einer Vielzahl chronischer Entzündungserkrankungen vorliegt.

Blutproben massenspektrometrisch untersucht

Das Kieler Team des Exzellenzclusters PMI hat dazu in den vergangenen zehn Jahren Blutproben von Patientinnen und Patienten massenspektrometrisch untersucht, welche aufgrund einer chronischen Entzündungserkrankung im Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin (Comprehensive Center for Inflammation Medicine, CCIM) am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, behandelt wurden. Hierbei wurden der Tryptophangehalt und in ausgewählten Patientengruppen ebenfalls der Gehalt verschiedener Abbauprodukte von Tryptophan untersucht. „Wir haben diese Analyse als einen neuen Biomarker in den klinischen Alltag integriert und standardisiert im Laborprofil die Tryptophanwerte mitbestimmt“, erklärt die Erstautorin der Arbeit, Dr. Danielle Harris vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität (CAU) und des UKSH, Campus Kiel. Dadurch wurden über zehn Jahre hinweg Daten von knapp 2.000 Patientinnen und Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten gesammelt. Da die Betroffenen mehrfach in die Ambulanz kamen, wurden insgesamt rund 30.000 Proben genommen. Eingeflossen seien somit Daten zu 13 chronischen Entzündungserkrankungen, bei 9 seien die Tryptophankonzentrationen im Blut signifikant reduziert gewesen. Dazu zählten neben den Darmentzündungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ebenfalls zahlreiche rheumatische Erkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis, Axiale Spondylarthritis, Systemische Lupus Erythematodes).

Kleinste Rest-Entzündungen detektieren

„Bisher haben zwar einzelne, kleinere Untersuchungen einen Tryptophanmangel für einzelne chronische Entzündungserkrankungen nachgewiesen, aber wir konnten das nun sehr systematisch für eine Reihe verschiedener Erkrankungen belegen und so die klinische Relevanz von Tryptophan als potentiellen Biomarker der chronischen Entzündung zeigen,“ so der federführende Autor Konrad Aden, Else Kröner Clinician Scientist Professor an der Medizinischen Fakultät der CAU, Arbeitsgruppenleiter am IKMB, CAU und UKSH, und Oberarzt der Klinik für Innere Medizin I am UKSH, Campus Kiel. Darüber hinaus machte das Team noch eine weitere Beobachtung: die Tryptophankonzentrationen im Blut waren auch noch bei Personen reduziert, bei denen mit den bisherigen klinischen Untersuchungen keine Entzündung mehr festzustellen war. Ärztinnen und Ärzte nutzen hier bislang neben sichtbaren Entzündungszeichen vor allem einen etablierten labordiagnostischen Biomarker, das C-reaktive Protein (den sogenannten CRP-Wert), um Entzündung im Körper festzustellen. „Mit dem reduzierten Tryptophan-Level haben wir also nun einen neuen, potenziellen Marker, der auch kleinste Rest-Entzündungen noch detektieren kann“, erklärt Aden. „Das kann beispielsweise hilfreich sein bei der Entscheidung, wann und in welcher Intensität eine medikamentöse Therapie begonnen werden soll“, erklärt Aden. „Wenn sich dieser Marker in klinischen Studien weiterhin behauptet, könnte er die bisherigen Standardwerte ergänzen und die Diagnostik maßgeblich verbessern“, betont Professor Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters PMI.

Zusammenhang mit dem Mikrobiom untersucht

Seitdem Mitglieder des Exzellenzclusters 2017 mit anderen Forschenden erstmals einen Tryptophanmangel bei chronischen Darmentzündungen gezeigt hatten (Publikation im Fachjournal Gastroenterology), erforschen sie die Bedeutung des Tryptophanstoffwechsels für Entzündungen. In den aktuellen Studien steht auch der Einfluss des individuellen Darmmikrobioms und dessen Einfluss auf Tryptophan als Biomarker im Fokus. Co-Autor Silvio Waschina, Junior-Professor für Nutriinformatik an der der CAU, hebt hervor: „Besonders faszinierend ist der Zusammenhang mit dem Mikrobiom, da bekannt ist, dass mikrobielle Abbauprodukte des Tryptophan-Stoffwechsels eine intensive Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem aufweisen.“ Ein Ansatz ist hier auch, den Mangel durch eine zusätzliche Gabe von Stoffwechselprodukten von Tryptophan auszugleichen und so die Entzündung abzuschwächen. Hierzu führen Clustermitglieder aktuell beispielsweise auch klinische Studien durch. Dieser Forschungsbereich soll auch in einer möglichen weiteren Förderphase weitergeführt werden, für den der Exzellenzcluster PMI derzeit einen Folgeantrag vorbereitet.

Literatur:
Harris DMM, et al.: Tryptophan degradation as a systems phenomenon in inflammation – an analysis across 13 chronic inflammatory diseases. eBioMedicine (2024), DOI: doi.org/10.1016/j.ebiom.2024.105056.

Quelle: idw/Exzellenzcluster PMI/Uni Kiel

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