Depression: Welche Rolle spielt die Epigenetik?

Methylierungen unter die Lupe genommen
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Zur Entstehung einer Depression gibt es nach wie vor viele Fragezeichen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nun einen weiteren Schritt vorangekommen.

Laut Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention gehören Depressionen zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Eine etwas ältere Studie ging von ca. 8,2 % der erwachsenen Deutschen (18 – 79 Jahre) aus, die im Laufe eines Jahres an einer unipolaren oder anhaltenden depressiven Störung erkrankt sind (Jacobi et al., 2016). Das Wissenschaftliche Institut der AOK kommt zu dem Schluss, dass im Jahr 2023 deutschlandweit 12,12 % der Bevölkerung an Depressionen erkrankt waren. Zur Entstehung einer Depression gibt es nach wie vor viele Fragezeichen. Einen Schritt weiter gekommen sind nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer internationalen Studie unter Beteiligung der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des LMU Klinikums. Es wurden nun erstmals anhand einer sehr großen Stichprobe epigenetische Marker identifiziert, die charakteristisch für die Erkrankung Depression sind. Für den Stoffwechsel der Zellen und den gesamten Organismus können die epigenetischen Markierungen erhebliche Folgen haben. 

Methylierungen unter die Lupe genommen

Zu den häufigsten epigenetischen Markierungen der DNA gehören chemische Veränderungen, die als „Methylierungen“ bezeichnet werden. Genau diese Methylierungen haben die Autorinnen und Autoren der neuen Meta-Analyse unter die Lupe genommen. Die DNA-Methylierungen von mehr als 26.000 Probandinnen und Probanden mit und ohne Depression sollten Erkenntnisse darüber liefern, ob sich ein bestimmtes epigenetisches Muster erkennen lässt, das typischerweise gehäuft bei Patientinnen und Patienten mit der Erkrankung auftritt. Und darüber, welche Gene bei diesen Betroffenen epigenetisch verändert sind. Beides gibt Hinweise auf die Mechanismen der Entwicklung einer Depression. 

Vermittelnde Rolle des Immunsystems bei Entstehung

Insgesamt haben die Forschenden 15 spezifische Zielorte der Methylierung im Erbgut identifiziert, die signifikant mit einer Diagnose von Depression verbunden sind. Bei diesen Stellen handelt es sich unter anderem um Gene, die mit Autoimmunerkrankungen (wie zum Beispiel rheumatoide Arthritis) zusammenhängen. Dazu passend zeigte sich, dass ein aus den Daten berechneter Methylierungs-Score nicht nur mit Depression zusammenhängt, sondern auch mit bestimmten Entzündungsmerkmalen. „Das“, erklärt Dr. Aline Scherff aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie, „weist auf die vermittelnde Rolle des Immunsystems bei der Entstehung von Depressionen hin.“

DNA-Methylierung als Ursache der Entstehung?

Darüber hinaus hänge das Methylierungsmuster mit depressionsrelevanten Merkmalen wie dem Body-Mass-Index zusammen. Der BMI sei deshalb depressionsrelevant, weil er den allgemeinen Gesundheits- und Ernährungszustand sowie Stoffwechselprozesse widerspiegele, die nicht nur mit Risikofaktoren für körperliche und psychische Erkrankungen assoziiert seien, sondern auch spezifisch die Entstehung von Depression begünstigen können. „Last but not least“, so Scherff, „brachte die Analyse der Daten Hinweise, dass die DNA-Methylierung möglicherweise ursächlich zur Entstehung einer Depression beiträgt.“ Dieser Befund müsse allerdings in weiteren Studien bestätigt werden.

Erfassung des individuellen Depressionsrisikos?

Auch unabhängig von den aktuellen Ergebnissen ist die Depression nach aktuellem Stand der Forschung multifaktoriell bedingt. Das heißt, bei der Entstehung von Depression handelt es sich stets um ein komplexes Zusammenspiel aus Stress in Form belastender Lebensereignisse oder anhaltender alltäglicher Belastungen und biologisch/genetischer beziehungsweise psychischer Veranlagung. „Die Epigenetik ermöglicht uns eine Erklärung, wie im Rahmen dieses Entstehungsmodells eine genetische Veranlagung in der Interaktion mit Umweltfaktoren zu einem erhöhten Risiko für Depression beitragen könnte“, betont Prof. Dr. Ellen Greimel, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. „Langfristig“, so die Psychologin weiter, „könnte die Untersuchung der DNA-Methylierung die Erfassung des individuellen Depressionsrisikos unterstützen. Die Ergebnisse untermauern auch die Annahme, dass das Immunsystem ein vermittelnder Faktor für die Entwicklung einer Depression sein könnte.“

Literatur:
Shen X, Barbu M, Caramaschi D, et al.: A methylome-wide association study of major depression with out-of-sample case–control classification and trans-ancestry comparison. Nat. Mental Health (2025), DOI: doi.org/10.1038/s44220-025-00486-4.

Jacobi, et al. (2016): Erratum zu: Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH). Nervenarzt, 87,88–90.

Quelle: idw/LMU/WIdO

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