Bereits in den 60er-Jahren wurde dem Epstein-Barr-Virus eine krebserregende Wirkung nachgewiesen – das erste Virus überhaupt, bei dem diese Verbindung festgestellt wurde. Wie diese krebsauflösende Wirkung jedoch zustande kommt, ist nicht geklärt. Doch sowohl hier als auch bei der Verbindung mit Autoimmunerkrankungen scheint eine Interaktion zwischen EBV und dem Immunsystem des Wirts stattzufinden.
Infizierung der B-Zellen
In Deutschland sind mehr als 95 Prozent der Erwachsenen ab 50 Jahren mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Während Erstinfektionen in der Kindheit meist symptomlos verlaufen, kann es im Erwachsenenalter das Pfeiffer’sche Drüsenfieber oder auch spontan wieder ausheilende Entzündungen der Lymphknoten und des Rachenraums auslösen. Danach verbleibt das Virus meist ein Leben lang im Körper und ist auf B-Zellen des Immunsystems spezialisiert. Sie spielen sowohl bei durch EBV-verursachten Tumoren als auch bei Autoimmunerkrankungen eine zentrale Rolle: einmal durchs unkontrollierte Vermehren und einmal durch die Zerstörung der Nervenscheiden.
Nun hat das Team um Forscher Henri-Jacques Delecluse vom DKFZ eine neue Entdeckung in diesem Bereich gemacht. So zeigen durch EBV infizierte B-Zellen Eigenschaften der „Homing cells“. Unter Homing versteht man das Einwandern von Immunzellen aus den Lymphbahnen in bestimmte Gewebe, wo sie auf Zielstrukturen von Krankheitserregern gerichtet werden. Danach kehren sie in lymphatische Organe zurück. Dabei verläuft das Homing streng kontrolliert und wird durch Zytokine gesteuert, da die Homing cells die Anlage haben, die inneren Wandschichten von Blut- und Lymphgefäßen zu passieren.
Lebenslanges Überleben
Durch die B-Zellen sichert das EBV das lebenslange Überleben im Körper, denn sie bilden ein Virusreservoir durch die Migration infizierter B-Zellen. Die neue Entdeckung der Forschenden: das Epstein-Barr-Virus regen das Homing-Verhalten der B-Zellen an. Im Fokus stehen hier zwei Proteine des EBV, EBNA2 und LMP1. „Die Virusproteine EBNA2 und LMP1 erhöhen die Aktivität entzündungsfördernder Zytokine wie CCL4, die bei Multipler Sklerose nachweislich relevant sind“, erläutert Henri-Jacques Delecluse. „In der Folge teilen sich die infizierten B-Zellen und schwärmen aus.“ So gelangen die EBV auch ins Gehirn.
Die neue Entdeckung bietet eine neue Möglichkeit, gezielt in diese Reihenfolge einzugreifen und die Migration der infizierten B-Zellen zu unterbinden. In Tiermodellen ist es den Forschenden bereits gelungen, mit verschiedenen Ansätzen diese Migration zu unterbinden. Sollten diese Optionen auch beim Menschen funktionieren, könnte so eventuell die Schädigung der Nervenscheiden bei Multipler Sklerose verhindert werden.
Quelle: idw
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