Veränderungen stoßen häufig auf Widerstand – insbesondere vor Ort. Öffentlicher Druck lasse dann oft die politischen Entscheiderinnen und Entscheider zögern. Auch wenn Kommunikation nicht alle Konflikte und Interessenunterschiede auflösen kann, ist sie laut den Fachleuten unverzichtbar für die Akzeptanz – vor allem gegenüber den Mitarbeitenden. Die leitfadengestützten Interviews mit 16 Krankenhausexpertinnen und -experten erfolgten in Kooperation von Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart und der Kommunikationsberatung Crunchtime Communications.
Trotz massiven Handlungsdrucks haben sich nach Einschätzung der befragten Expertinnen und Experten rund ein Viertel der deutschen Krankenhäuser noch gar nicht aktiv auf den Weg der Neuausrichtung begeben. Alle Befragten sind überzeugt, dass Krankenhausträger und Klinikmanagement wissen, dass Veränderungen notwendig sind, und wie diese inhaltlich zu gestalten seien. Die richtige Medizinstrategie zu entwickeln, sei nicht das Problem.
Kritik und Widerstand
Nach mehrheitlicher Meinung lässt aber die Angst vor Kritik und öffentlichem Druck politische Entscheidungsträgerinnen und -träger zögern, rechtzeitig notwendige Veränderungen zu beschließen. Kritik und Widerstand sind nach Meinung aller Expertinnen und Experten angesichts der notwendigen tiefgreifenden Veränderungen zu erwarten und können nicht vollständig vermieden oder entkräftet werden.
Daher komme der internen und der externen Kommunikation in Transformationsvorhaben von Krankenhäusern eine große Bedeutung zu: Kommunikation ist nach Einschätzung der befragten Expertinnen und Experten der wichtigste Erfolgsfaktor. Dazu zählen vorrangig vier Aspekte:
- der Dialog und die Einbeziehung der Entscheiderinnen und Entscheider
- die verständliche Information über das jeweilige Reformvorhaben sowie das Erklären des Nutzens und der Notwendigkeit gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit
- die Gewinnung und Positionierung von fachlich qualifizierten und glaubwürdigen Fürsprecherinnen und Fürsprecher (Gutachterinnen und Gutachter, Expertinnen und Experten, Mitarbeitende etc.)
- der ernsthafte und verantwortungsvolle Umgang mit Betroffenen, Kritikerinnen und Kritikern sowie Gegnerinnen und Gegnern
Zögerliche politische Entscheiderinnen und Entscheider
Ein wesentliches Problem für die Transformation in Krankenhäusern sehen die befragten Expertinnen und Experten auf politischer Seite: Aus Angst vor Kritik, öffentlichem Druck und emotional aufgeladenen Debatten werden notwendige Entscheidungen zu oft aufgeschoben. Ihr Appell vor allem an die Kommunalpolitik ist deutlich: mehr Mut zu konsequenten Entscheidungen – und die Standhaftigkeit, diese auch unter Gegenwind konsequent umzusetzen.
„Auch aus kommunikativer Perspektive sind frühzeitige und konsequente Entscheidungen dringend anzuraten“, sagt Johannes Fischer, geschäftsführender Gesellschafter von Crunchtime und Lehrbeauftragter an der Universität Hohenheim. „Wer wartet, bis es nicht mehr anders geht, verliert Zeit und Spielraum für eine überzeugende Kommunikation. Denn dann bleibt meist nur noch das wirtschaftliche Argument – und genau das stößt bei Veränderungen in der Gesundheitsversorgung auf wenig Verständnis. Andere, inhaltlich tragfähigere Argumente haben zu diesem Zeitpunkt bereits an Glaubwürdigkeit eingebüßt, und für echten Dialog fehlt die Zeit.“
Akzeptanz entsteht durch Kommunikation
Prof. Dr. Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, betont: „Strategien scheitern selten an ihrer inhaltlichen Qualität – sondern daran, dass es nicht gelingt, ausreichend Akzeptanz für ihre Umsetzung zu gewinnen. Auch die besten Konzepte entfalten nur dann Wirkung, wenn sie verstanden und mitgetragen werden. Dafür braucht es systematische Kommunikation und Beteiligung von Anfang an. So lassen sich auch bei einem inhaltlich komplexen und von vielfältigen Akteurinnen und Akteuren sowie ihren Interessen geprägten Thema wie Klinikreformen gesellschaftlich tragfähige Lösungen finden.“
Auch die befragten Expertinnen und Experten sehen – neben der inhaltlichen Qualität – in der Kommunikation den entscheidenden Erfolgsfaktor. Sie betonten aber auch: Es ginge nicht darum, alle zu überzeugen. Der Fokus solle vielmehr auf der aktiven Gestaltung des Dialogs mit Entscheidungsträgerinnen und -trägern, Führungskräften und Mitarbeitenden sowie weiteren direkt Betroffenen und Beteiligten liegen.
„Die Krankenhausversorgung ist ein hochsensibles Thema, das bei vielen starke persönliche Betroffenheit auslöst. Da kann man nicht alle gewinnen“, sagt Johannes Fischer. „Vor allem darf man sich nicht von den wenigen Lauten treiben lassen – ihre Meinung ist selten repräsentativ und stark von Eigeninteressen geprägt. Wer sich daran orientiert, landet in einem reaktiven Rechtfertigungsmodus. Entscheidend ist, die Kommunikation von Anfang an strategisch zu planen – mit klarer Zielgruppenfokussierung, koordinierter Ansprache und glaubwürdiger Beteiligung.“
Transformation braucht auch Beteiligung
Die Autoren der Studie kritisieren, dass der mit 50 Milliarden Euro ausgestattete Transformationsfonds des Bundes bislang keine explizite Förderung strategischer Kommunikation vorsieht – obwohl sie maßgeblich darüber entscheide, ob Transformationsprojekte erfolgreich umgesetzt und damit die öffentlichen Gelder wirksam eingesetzt würden.
„Natürlich braucht es Investitionen in Gebäude und Infrastruktur“, sagt Frank Brettschneider. „Aber Baumaßnahmen allein reichen nicht. Es braucht Investitionen in Verständnis und Akzeptanz – und dafür gezielte Kommunikation. Nur wenn Menschen verstehen, worum es geht, warum Maßnahmen notwendig sind und was diese konkret für sie bedeuten, kann Transformation gelingen. Kommunikation ist keine Begleitmusik, sondern ein elementarer Erfolgsfaktor. Sie gehört deshalb von Beginn an in jedes Transformationsprojekt – und damit auch in den Förderantrag.“
Quelle: idw
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