Laborreform und GoÄneu: ALM erwartet dramatische Auswirkungen
Die Mitgliedslabore des fachärztlichen Berufsverbands der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM e.V.) äußerten sich im Rahmen einer Pressekonferenz mit großer Sorge zu den aktuellen Entwicklungen in der Vergütungs- und Honorarentwicklung für die laborfachärztliche Versorgung in Deutschland. „Die im GoÄ-Entwurf enthaltenen überproportionalen Abwertungen ärztlicher labormedizinischer Leistungen entbehren jeder nachvollziehbaren medizinischen und wirtschaftlichen Grundlage. Es fehlt an Transparenz, Fairness und Zukunftsorientierung“, erklärte Dr. Michael Müller, Erster Vorsitzender des ALM e.V. Die geplante Gebührenordnung gefährde die Finanzierung moderner diagnostischer Verfahren und sei ein herber Rückschritt für eine patientenzentrierte, qualitätsgesicherte Versorgung. Es brauche jedoch planbare Rahmenbedingungen. Seit Jahren liege der Anteil der Laborleistungen an den gesamten Gesundheitskosten bei unter 3 Prozent. Dafür seien trotz gestiegener Leistungen enorme Effizienzsteigerungen nötig gewesen. „Doch weitere Effizienzsteigerungen haben Grenzen“, so Müller. Nicht nachvollziehen kann der ALM-Vorsitzende die Drohszenarien, die aufgebaut worden seien. Von einer „Entärztlichung der Labore“ zu sprechen, seien „komische Äußerungen“ und könnten kein ernstgemeintes Drohszenario sein, ärgerte sich Müller. Jede medizinische Tätigkeit sei auskömmlich, sachgerecht und leistungsbezogen zu finanzieren.
Negative Folgen für Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität?
Der Verband kritisiert vor allem die fehlende Abbildung medizinischer Innovationen, der erheblichen Kostensteigerungen im ambulanten wie stationären Bereich und eine systematisch verzerrte Vergütung ärztlicher Leistungen. Die labormedizinische Expertise werde strukturell benachteiligt – mit negativen Folgen für Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität. So hätte es in den Laboren Kostensteigerungen in Höhe von 35 Prozent im Zeitraum von 2017 bis 2024 gegeben. Ein weiteres zentrales Thema war die aktuelle Laborreform, deren erste Abrechnungsdaten für das erste Quartal 2025 nun vorliegen. Bereits diese Frühphase zeige deutliche Belastungen und negative Trends, betont der Verband. „Unsere Auswertungen der Abrechnungsdaten aus dem 1. Quartal 2025 belegen die von uns schon letztes Jahr simulierten Ergebnisse: Dem fachärztlichen Labor werden durch die Quotierung von Kostenpauschalen und andere Maßnahmen Teile der für die Laborversorgung bestimmten Finanzmittel entzogen, was sich auf die Versorgungssicherheit und Patientensicherheit auswirkt“, warnte Müller. „Die ungerechte Honorarverteilung in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung der Bevölkerung mit medizinischer Labordiagnostik darf nicht zu Lasten der langfristigen Versorgungsqualität gehen.“
Massiver wirtschaftlicher Druck
Prof. Dr. Ralf Ignatius, Facharzt für Mikrobiologie und stellvertretender Vorsitzender des Berufsverbandes der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie (BÄMI), schilderte die konkreten Auswirkungen aus Sicht der Infektionsdiagnostik: „Die Laborreform setzt kassenärztlich tätige Labore unter massiven wirtschaftlichen Druck – mit unmittelbaren Folgen für die Patientenversorgung. Prozessverlagerungen und verzögerte Diagnosen sind bereits Realität, möglich ist darüber hinaus auch eine schleichende Verschlechterung der Testqualität. Essenzielle Leistungen wie die bislang sehr gute Infektionsdiagnostik stehen auf dem Spiel.“ Sollte es zum Einsatz von preiswerteren Tests kommen, seien vermehrte falsch negative und falsch positive Ergebnisse zu erwarten. Dies laufe bspw. der Absicht eines sinkenden Antibiotikaeinsatzes entgegen. Auch sei die „preparedness“ für kommende Pandemien damit infrage gestellt.
Pathologie ebenfalls stark betroffen
Dr. Petra Wandernoth, Geschäftsführerin des MVZ für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik Trier GmbH, hob insbesondere die problematische Wirkung der pauschalen Gegenfinanzierung hervor: „Die Laborreform ist für pathologische Institute ein klarer Rückschritt – sowohl medizinisch als auch wirtschaftlich. Hochspezialisierte Diagnostik, wie sie für die moderne Tumorbehandlung unerlässlich ist, wird entwertet. Wenn histologische und molekulare Kernleistungen gekürzt werden, ohne reale Kosten und den steigenden Bedarf zu berücksichtigen, ist das existenzgefährdend – für Institute und für Patientinnen und Patienten.“ Eine Studie habe eine durchschnittliche Absenkung der Honorare um 4 Prozent gezeigt, wobei die Spanne von -0,5 bis -9 Prozent gereicht habe. Es gebe folglich nur Verlierer. In ihrem MVZ seien im ersten Quartal 2025 50 Prozent der histologischen Leistungen von Abwertungen betroffen gewesen. Die Folgen seien dramatisch.
Eine der drei wichtigen Säulen in der Medizin
Prof. Dr. Jan Kramer, Stellvertretender Vorsitzender des ALM e.V., wies auf die zentrale Rolle der Labormedizin in der Patientenversorgung hin: „Rund 70 Prozent aller Diagnosen basieren auf labordiagnostischen Ergebnissen. Ohne moderne Labormedizin gibt es keine sichere Diagnostik, keine fundierte Therapieentscheidung, keine effektive Verlaufskontrolle und keine Früherkennung. Wenn wir hier weiter kürzen, gefährden wir die medizinische Versorgung im gesamten System.“ Die Labormedizin sei eine der drei wichtigen Säulen in der Medizin (neben der Bildgebung und der Anamnese/Untersuchung).
Uli Früh, Geschäftsführer der Uli Früh Consulting GmbH, unterstrich gleichzeitig die strukturellen Mängel der Reform: „Die Laborreform basiert auf veralteten Bezugsdaten und ignoriert wesentliche Entwicklungen wie die Einführung der Multiplex-PCR. Pauschale Kürzungen bei hunderten Laborleistungen sind nicht betriebswirtschaftlich fundiert. Die Folge sind massive Verwerfungen und Honorarumschichtungen – gerade für Speziallabore, die auf seltene Untersuchungen fokussiert sind.“
Entsprechend fordert der ALM e.V. eine grundlegende Überarbeitung der Laborreform sowie eine transparente, wirtschaftlich tragfähige und zukunftsgerichtete Ausgestaltung der GoÄ. Dazu lägen, auch abgestimmt mit anderen Berufsverbänden und den Fachgesellschaften, konkrete Vorschläge vor. Eine qualitätsgesicherte und flächendeckende Patientenversorgung sei nur möglich, wenn die notwendige medizinische Infrastruktur nicht weiter untergraben werde.
Quelle: ALM e.V.
Artikel teilen