Mit mehr als 280.000 Betroffenen in Deutschland und jährlich 15.000 neuen Diagnosen ist Multiple Sklerose (MS) die häufigste entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Durch den Angriff des eigenen Immunsystems auf die isolierende Schicht der Nervenfasern kann es zu einer Reihe an unterschiedlichen Symptomen kommen – darunter Sehstörungen, Lähmungen oder Missempfindungen. Die genaue Ursache für die Erkrankung kennt man nicht, sie ist eine multifaktorielle Erkrankung. Verschiedene Umweltfaktoren spielen dabei genauso eine Rolle wie die Genetik. Vor allem Mikroorganismen des Darms stehen seit längerem unter Verdacht, einer der Auslöser zu sein.
Einzigartige Zwillingsstudie zu MS
Verschiedene Bakterienstämme konnten bereits identifiziert werden, die bei MS-Patientinnen und -Patienten anders ausfallen als bei nicht Betroffenen. Doch ein klarer Hinweis war schwierig zu erkennen, da unterschiedliche Essgewohnheiten und genetische Unterschiede einen großen Einfluss haben. Bei der aktuellen Studie starteten die Forschenden daher ein großes Kooperationsprojekt mit Zwillingen. Trotz der genetisch hohen Ähnlichkeit eineiiger Zwillinge gibt es Zwillingspaare, bei denen ein Zwilling an MS erkrankt, während der andere Zwilling keine Symptome entwickelt.
Die MS TWIN STUDY ermöglicht eine einzigartige Möglichkeit, die Ursachen der Krankheit zu untersuchen. Denn neben der genetischen Ähnlichkeit waren die Zwillingspaare auch viele Jahre den gleichen Umweltbedingungen ausgesetzt, da sie bis zum frühen Erwachsenenalter meist zusammengelebt haben, wenn nicht noch länger. Aus den Stuhlproben von 81 Zwillingspaaren identifizierten sie 51 Taxa (Mikroorganismen einer bestimmten Gruppe), die bei den kranken und gesunden Zwillingen unterschiedlich häufig zu finden waren.
Endoskopische Proben liefern Hinweise
Aus vier endoskopischen Proben von Zwillingen konnten die Forschenden weitere Erkenntnisse gewinnen, da im Dünndarm die krankmachende Interaktion zwischen Mikroorganismen und den Immunzellen vermutet wird. So zeigte sich, dass transgene Mäuse, die Darmbakterien der MS-Zwillinge erhielten, die Krankheit entwickelten – ein starker Hinweis darauf, dass sich dort die krankheitsauslösenden Organismen befinden.
In der anschließenden Untersuchung des Stuhls der Mäuse konnten die Forschenden bisher zwei Mitglieder der Lachnospiraceen als krankheitsauslösend identifizieren: Lachnoclostridium sp. und Eisenbergielle tayi. Diese beiden waren schon vorher mit MS in Verbindung gebracht worden, nun erstmals auch als Ursache für die Erkrankung. Weitere Studien sind jedoch nötig, um mögliche weitere Gruppen festzustellen bzw. auszuschließen, dass noch andere Mikroorganismen des Darms die Krankheit auslösen. Sollte feststehen, dass nur diese kleine Gruppe an Mikroorganismen, da sie eine zahlenmäßig unbedeutende Rolle in der Darmflora spielen, für die Entstehung der Krankheit zuständig ist, bieten sich dadurch neue Therapiemöglichkeiten.
Quelle: idw
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