Multiple Sklerose: Hilft ein Biomarker bei Medikamentenwahl?

HLA-Test als Grundlage
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Silhouette eines Kopfes mit orangefarbenem Gehirn aus Filz neben einer orangefarbenen Schleife auf braunem Hintergrund, symbolisiert Bewusstsein für MS.
© WindyNight/stock.adobe.com
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Interferon oder Glatirameracetat? Wie lässt sich vor der Therapie bestimmen, welches Präparat die bessere Wahl ist? Ein neuer Biomarker soll künftig helfen.

Laut Deutscher Multiple Sklerose Gesellschaft leben weltweit schätzungsweise ca. 2,8 Millionen Menschen mit MS. In Deutschland sollen es mehr als 280.000 Erkrankte sein. Jährlich werden mehr als 15.000 Fälle neu diagnostiziert. Bei vielen Patientinnen und Patienten stellt sich die Frage, ob mit Interferon oder mit Glatirameracetat behandelt werden soll. Bisher konnte man für die Entscheidung quasi eine Münze werfen: Beide Präparate gelten laut Uni Münster als etablierte Basistherapien, haben vergleichsweise geringe Nebenwirkungen und können in der Schwangerschaft sowie Stillzeit zum Einsatz kommen. Doch die beiden Medikamente helfen - wie alle immunmodulatorischen Therapien - nicht allen Menschen gleich gut. In Zukunft könnte der Einsatz aber nach einem eindeutigen Verfahren erfolgen. 

Genetischen Biomarker gefunden

Die internationale Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Nicholas Schwab vom Institut für Translationale Neurologie der Universität Münster hat einen genetischen Biomarker identifiziert, der vorhersagen soll, ob MS-Patientinnen und -Patienten besonders gut auf eine Behandlung mit Glatirameracetat (GA) ansprechen. Menschen mit dem Gewebetyp HLA-A*03:01 profitieren demnach signifikant stärker von GA als von Interferon-beta (IFN). Die Ergebnisse basieren auf einer multizentrischen Analyse mit mehr als 3.000 an MS Erkrankten. „Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass ein genetischer Marker mit dem Behandlungserfolg eines MS-Medikaments verknüpft ist“, erklärt Studienleiter Schwab. „Damit lässt sich vor Therapiebeginn vorhersagen, ob Glatirameracetat oder Interferon die wahrscheinlich bessere Wahl ist.“ Bei etwa einem von drei MS-Betroffenen falle die Entscheidung auf GA, bei den anderen beiden Fällen wirke vermutlich Interferon-beta besser. „Das ist ein entscheidender Fortschritt für die personalisierte MS-Behandlung“, freut sich Prof. Heinz Wiendl, Sprecher des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS), der die Studie mit konzipiert hat.

Untersuchung der T-Zellen

GA führt bei Patientinnen und Patienten zu spezifischen T-Zell-Antworten, die sich das Team genauer anschaute. Die Forscherinnen und Forscher analysierten die T-Zell-Rezeptor-Sequenzen (TZR) im Blut von 3.021 MS-Patientinnen und -Patienten, deren Proben ihnen aus mehreren voneinander unabhängigen internationalen Kohorten zur Verfügung gestellt wurden. Dabei sind ihnen T-Zell-Klone aufgefallen, die sich nach GA-Therapie nur bei den Patienten fanden, die zudem Träger bestimmter HLA-Moleküle sind, und zwar von HLA-A*03:01 oder HLA-DRB1*15:01. Liegt eines dieser beiden HLA-Moleküle vor, reagiert also das Immunsystem auf die Therapie mit GA. Praktisch profitierten Patientinnen und Patienten jedoch nur in einem der beiden Fälle. Ausschließlich die Betroffenen mit der Genvariante HLA-A*03:01 hatten demnach einen klinischen Behandlungsvorteil. Ihnen ist es dank GA-Therapie besser gegangen.

Große Untersuchung bestätigt Ergebnisse

Das Team untersuchte fünf große Kohorten und Studienpopulationen aus den USA, Frankreich und Deutschland, darunter die NationMS-Kohorte des deutschen KKNMS. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Ergebnisse auch in der klinischen Anwendung relevant sind. In sämtlichen Analysen zeigten Trägerinnen und Träger der Genvariante HLA-A*03:01 unter Therapie mit GA signifikant weniger Krankheitssymptome als bei Behandlung mit IFN. Statistisch betreffe das etwa 30 bis 35 Prozent der europäischen MS-Patientinnen und MS-Patienten, denn sie tragen das HLA-A*03:01-Allel.

Klassischer HLA-Test reicht aus

Das Forschungsteam betont, dass die neue Erkenntnis schnell in der Therapieberatung angewendet werden könne. Der Grund: Der klassische HLA-Test, wie er zum Beispiel für Transplantationen oder Arzneimittelsicherheit bereits etabliert ist, findet die fragliche Genvariante. Der Erkenntnisgewinn der Studie reiche allerdings noch weiter. Neben dem klinisch relevanten Biomarker gebe es auch neue Hinweise auf den Wirkmechanismus von GA. Die beobachteten öffentlichen T-Zell-Antworten deuteten darauf hin, dass GA nicht alle seine Eiweißbestandteile benötige, um zu wirken. Vielmehr spielen offenbar nur wenige Fragmente der GA-Mischung eine dominante Rolle, vielleicht ist sogar nur ein Einzelnes relevant, so die Forscherinnen und Forscher. Dies könnte künftig zur gezielten Weiterentwicklung des Medikaments führen.

Literatur:
Zhang BC, Schneider-Hohendorf T, Elyanow R, et al.: HLA-A∗03:01 as predictive genetic biomarker for glatiramer acetate treatment response in multiple sclerosis: a retrospective cohort analysis. EBioMedicine. 2025 Jul 31; 118: 105873, DOI: doi.org/10.1016/j.ebiom.2025.105873.

Quelle: idw/Uni Münster

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