Neue Waffe im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen
Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind, und neu auftretende Viren sind eine stark zunehmende Bedrohung für das globale Gesundheitssystem. So stehen jährlich rund 5 Millionen Todesfälle mit antibiotikaresistenten Keimen in Verbindung. Doch wie können sich Oberflächen leicht desinfizieren lassen, ohne dass Bakterien resistent werden? Diese Frage treibt derzeit viele Forscherinnen und Forscher weltweit um. Empa-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler arbeiten an neuen, dringend benötigten Strategien, um derartige Krankheitserreger zu bekämpfen. Eines der Ziele: die Ausbreitung von resistenten Erregern und neuartigen Viren mit smarten Materialien und Technologien verhindern. Die Empa ist das interdisziplinäre Forschungsinstitut des ETH-Bereichs für Materialwissenschaften und Technologie.
Oberflächenbeschichtung aus Kunststoff
Ein besonders geeigneter Einsatzort für solche Materialien sind hierbei Oberflächen, die ständig mit Infektionserregern in Kontakt kommen wie Türklinken in Spitälern oder Einrichtungsgegenstände in Operationssälen. Ein interdisziplinäres Team aus drei Empa-Labors hat nun gemeinsam mit der tschechischen Palacký-Universität Olmütz eine umweltfreundliche und bioverträgliche Oberflächenbeschichtung aus Kunststoff entwickelt, die Keime zuverlässig abtöten soll. Das Besondere an dieser Technologie: Die Wirkung lasse sich immer wieder aufs Neue durch die Bestrahlung mit Licht aktivieren.
Doppelter Schlag gegen Keime
„Das neue Material ist so konzipiert, dass Mikroorganismen lokal und schnell abgetötet werden“, erklärt Empa-Forscher Giacomo Reina vom „Nanomaterials in Health“ Labor in St. Gallen. Hierzu wurde ein Grundgerüst aus Polyvinylalkohol verwendet, einem bioverträglichen Kunststoff, der auch in der Lebensmittelmittelindustrie eingesetzt wird. Eingebettet in diese Matrix ist eigens synthetisierte Graphensäure, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften bestens als antimikrobielle Beschichtung geeignet ist. Ihr volles Potenzial lasse sich dabei durch die Verwendung von Nahinfrarot-Licht ausschöpfen. Sobald das Kompositmaterial damit bestrahlt wird, entfalte es seine Doppelstrategie: Zum einen absorbiert es die Energie des Infrarotlichts und wandelt sie in keimtötende Hitze um. Außerdem wird die Bildung von Sauerstoffradikalen angeregt, die den Krankheitserregern zusätzlichen Schaden zufügen.
Kampf ohne Resistenzbildung
Ein weiterer Vorteil hierbei sei, dass diese Strategie sich komplett von den Wirkmechanismen herkömmlicher Antibiotika unterscheide. Damit biete das Material einen kontinuierlichen Schutz gegen ein breites Spektrum von Mikroorganismen, ohne zur Resistenzbildung beizutragen. „Unsere Laborexperimente konnten die Wirksamkeit des antimikrobiellen Materials gegen verschiedene Bakterien und Viren klar bestätigen“, so der Empa-Forscher.
Eine erste Anwendung für die antimikrobielle Beschichtung wird derzeit für die Zahnmedizin entwickelt. Hierzu arbeiten Empa-Forschende gemeinsam mit dem Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich an einer Zahnschiene, die Mikroorganismen in der Mundhöhle abtötet.
Erster Test mit Kunststoffschiene
Die Keimflora im Mund ist ein besonders unangenehmer Gegner im Kampf gegen Infektionserreger: Hier tummeln sich komplexe Gemeinschaften von Bakterien in unzugänglichen Nischen, eingebettet in eine selbst produzierte schleimige Matrix. Antibiotika und Desinfektionsmittel durchdringen diese widerstandsfähigen Biofilme kaum. So können die Keime ungehindert Zähne ruinieren oder sogar zu ausgedehnten Infektionen im Körper führen. Das interdisziplinäre Team um Giacomo Reina arbeitet daher an einer Kunststoffschiene, in die Nanomaterialien wie Graphensäure stabil integriert werden. Da Nahinfrarotlicht das Gewebe einige Zentimeter tief durchdringen kann, kann die Schiene in der Mundhöhle platziert und von außen durch eine Lichtquelle aktiviert werden, und zwar immer wieder.
Quelle: idw/Empa
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