Neues Verfahren zur Lipidbildgebung

Fett-Mikroskopie
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Eine Mikroskopieaufnahme menschlicher Knochenzellen.
Mikroskopieaufnahme menschlicher Knochenzellen (U2OS). Das Lipid ist in orange erkennbar, die Zellmembran in lila und die Endosomen in weiß. © Kristin Böhlig und Juan Iglesias-Artola / Nature (2025) / MPI-CBG
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Ein Dresdner Forscherteam hat eine neue Technik zur Darstellung einzelner Lipide entwickelt. Mit dem neuartigen bildgebenden Verfahren sollen individuelle Lipide in Zellen erkennbar sein.

Eigentlich sind Lipide mit Lichtmikroskopie nur schwer nachweisbar. Mit einer neuen chemischen Markierungsmethode hat ein Dresdner Team diese Hürde nun überwunden und ermöglicht damit neue Einblicke, wo sich spezifische Lipide befinden und wie sie in Zellen transportiert werden. Mit der neuen Methode konnten die Forschenden zudem eine seit langem offene Frage beantworten: Wie transportieren Zellen spezifische Lipide zu den Membranen ihrer Zielorganellen?

Besseres Verständnis von Erkrankungen

Lipidmoleküle sind für alle Lebensformen unverzichtbar. Zellen benötigen Lipide, um Membranen aufzubauen, biochemische Reaktionen zu trennen und zu organisieren, Energie zu speichern und Informationen zu übermitteln. Jede Zelle kann Tausende verschiedener Lipide herstellen. Dabei kann auch einiges schieflaufen. Denn bei vielen Stoffwechsel- und neurodegenerativen Erkrankungen spielt ein Ungleichgewicht von Lipiden eine Rolle. Die neue Lipid-Bildgebungstechnik soll es künftig ermöglichen, die Bedeutung des Lipidtransports bei gesunden und erkrankten Menschen besser zu verstehen. Die Identifizierung der Proteine, die am gezielten Lipidtransport beteiligt sind, könne die Entwicklung neuer Medikamente gegen lipidbedingte Erkrankungen beschleunigen, so die Hoffnungen. 

Einsatz herkömmlicher Fluoreszenzmikroskopie

Noch immer ist nicht vollständig geklärt, wie Zellen die Vielzahl an Lipiden gezielt zwischen Organellen verteilen, um die Zusammensetzung jeder Membran aufrechtzuerhalten. Eine große Hürde dabei ist, dass Lipide schwer zu untersuchen sind, da bislang Mikroskopietechniken fehlten, mit denen sich ihre genaue Position in der Zelle verfolgen lässt. Um dieses Problem zu lösen, entwickelten André Nadler, Chemiker und Biologe am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, und Alf Honigmann, Bioimaging-Spezialist am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der Technischen Universität Dresden, in einer langjährigen Zusammenarbeit eine Methode, mit der Lipide in Zellen mithilfe herkömmlicher Fluoreszenzmikroskopie sichtbar gemacht werden können. Nach einer erfolgreichen Machbarkeitsstudie erweiterten sie das Team. Der Massenspektrometrie-Experte Andrej Shevchenko (MPI-CBG), Björn Drobot vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und die Gruppe von Martin Hof vom J. Heyrovsky Institute of Physical Chemistry in Prag wurden Teil des Teams, um den Lipidtransport zwischen Zellorganellen genauer zu untersuchen.

Umfassendes Bild des Lipidaustauschs

„Wir begannen unser Projekt mit der Synthese einer Reihe minimal veränderter Lipide, die die wichtigsten Lipide in Organellenmembranen repräsentierten. Diese modifizierten Lipide unterscheiden sich nur durch wenige Atome von ihren natürlichen Gegenstücken, was uns ermöglichte, sie unter dem Mikroskop sichtbar zu machen und zu verfolgen“, erklärt Kristin Böhlig, Chemikerin und Doktorandin in der Nadler-Gruppe, die für die Lipidsynthese verantwortlich war. Die modifizierten Lipide wurden in die Zellmembran lebender menschlicher Zellen geladen. Das Forschungsteam nutzte menschliche Knochen- oder Darmzellen in Zellkultur, da sie sich ideal für die Bildgebung eignen. Mit der Zeit wurden die Lipide in die Membranen der Organellen transportiert. Die modifizierten Lipide wurden mit UV-Licht aktiviert, sodass sie an nahegelegene Proteine binden. Dieser Vorgang stoppte ihren Transport innerhalb der Zelle. „Nach der UV-Behandlung konnten wir die Lipide mithilfe der Fluoreszenzmikroskopie verfolgen und ihre Positionen über die Zeit dokumentieren. So erhielten wir ein umfassendes Bild des Lipidaustauschs zwischen Zellmembran und Organellenmembranen“, fasst Böhlig zusammen.

Workflow mit automatisierter Bildsegmentierung

Um die Mikroskopiedaten zu verstehen, benötigte das Team eine maßgeschneiderte Bildanalyse-Pipeline. „Für unsere speziellen Anforderungen habe ich einen Workflow mit automatisierter Bildsegmentierung entwickelt, die durch künstliche Intelligenz unterstützt wird. Damit lassen sich die Lipidströme durch das Zellorganellensystem quantifizieren“, erklärt Juan Iglesias-Artola, der die Bildanalyse durchgeführt hat. Das Team kombinierte Bildanalyse mit mathematischer Modellierung, die von Björn Drobot am HZDR durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigten deutlich: 85–95 % des Lipidtransports zwischen Organellenmembranen übernehmen Carrier-Proteine und nicht Vesikel. Dieser Transport außerhalb von Vesikeln sei viel spezifischer in Bezug auf einzelne Lipidarten und deren Sortierung in die verschiedenen Organellen der Zelle. Zudem zeigte sich, dass der Lipidtransport durch Proteine zehnmal schneller erfolgt als durch Vesikel. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Membranzusammensetzungen der Organellen überwiegend durch schnellen, selektiven Proteintransport erhalten werden.

Mechanistische Analyse des Lipidtransports und der Lipidfunktionen

Parallel dazu untersuchte die Gruppe von Andrej Shevchenko am MPI-CBG mithilfe ultrahochauflösender Massenspektrometrie, wie sich Lipidstrukturen während des Transports von der Zellmembran zu den Organellen verändern. Mit diesem neuen Ansatz sollte es ermöglicht werden, quantitativ darzustellen, wie sich Lipide durch die Zelle zu verschiedenen Organellen bewegen. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass der Transport von Lipiden außerhalb von Vesikeln eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Membranzusammensetzung einzelner Organellen spielt. „Unsere Lipid-Bildgebungstechnik ermöglicht erstmals die mechanistische Analyse des Lipidtransports und der Lipidfunktionen direkt in Zellen“, erklärt Alf Honigmann, Professor für Biophysik an der TU Dresden und Forschungsgruppenleiter am BIOTEC. „Wir glauben, dass unsere Methode eine neue Ära in der Erforschung der Rolle von Lipiden in der Zelle einleitet.“

KI hat maßgeblichen Einfluss

Die Forscherinnen und Forscher sind überzeugt davon, dass die Technik künftig helfen könnte, die molekularen Grundlagen von Krankheiten besser zu verstehen, die durch Lipid-Ungleichgewichte entstehen und neue therapeutische Ansätze zu entwickeln. Dazu zählen z.B. lipidbedingte Erkrankungen wie die nicht-alkoholische Fettleber. Projektleiter André Nadler erinnert sich: „Lipide in Zellen sichtbar zu machen, war immer eine der größten Herausforderungen der Mikroskopie. Unser Projekt war da nicht anders. Alf Honigmann und ich begannen, über die Lösung des Problems der Lipidbildgebung zu sprechen, sobald wir 2014/15 kurz nacheinander am MPI-CBG anfingen, und entschieden uns, es anzugehen. Fast fünf Jahre dauerte es, bis wir im Herbst 2019 endlich eine Probe mit einer klaren Zellmembranfärbung erhielten. Da wussten wir, dass wir auf etwas Großes gestoßen waren. Einige Monate später mussten wir jedoch aufgrund bestimmter weltbekannter Ereignisse unsere Labore schließen. Am Ende war diese Verzögerung sogar ein Vorteil. Erst durch die Revolution in der KI-gestützten Bildsegmentierung konnten wir die Daten wirklich quantifizieren, ohne sie wären unsere Aussagen deutlich eingeschränkter geblieben.“

Es gibt noch einiges zu tun. Die Forscherinnen und Forscher wollen in einem nächsten Schritt klären, welche Lipid-Transfer-Proteine für den selektiven Transport einzelner Lipidspezies verantwortlich sind und welche Energiequellen die gerichteten Lipidflüsse antreiben, die verhindern, dass die Membranzusammensetzungen der Organellen ins Gleichgewicht geraten.

Literatur:
Juan M. Iglesias-Artola, Kristin Böhlig, Kai Schuhmann, et al.: Quantitative imaging of lipid transport in mammalian cells. Nature, August 2025, DOI: doi.org/10.1038/s41586-025-09432-x.

Quelle: idw/ MPI-CBG

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