Neurologische Krankheiten: Jeder Dritte ist betroffen
Mitte Oktober hat die Weltgesundheitsbehörde (WHO) den neuen „Global Status Report on Neurology“ publiziert. Darin macht sie eindringlich auf neurologische Krankheiten als ein globales Gesundheitsproblem aufmerksam. Mehr als 40 % der Weltbevölkerung leben mit einer neurologischen Erkrankung, zum Teil mit massiven Einschränkungen der Lebensqualität und der gesellschaftlichen Teilhabe. Zu den neurologischen Erkrankungen, die laut WHO mit der höchsten Krankheitslast durch Behinderung oder vorzeitigen Tod, „Disability-adjusted life years“, verbunden sind und in Deutschland eine hohe Relevanz haben, zählen unter anderem Schlaganfall, Migräne, Alzheimer-Krankheit und andere Demenzerkrankungen, diabetische Neuropathie und idiopathische Epilepsie.
Neben dem persönlichen Leid bringen neurologische Erkrankungen erhebliche soziale und wirtschaftliche Belastungen mit sich, denn viele Betroffene sind nur eingeschränkt arbeitsfähig, viele sind auf Pflege angewiesen und die Kosten für moderne Therapien belasten die Gesundheitssysteme erheblich.
Stärkung der Prävention neurologischer Erkrankungen
Die WHO hat Strategien erarbeitet, um die Versorgung und Lebensqualität von Menschen mit neurologischen Krankheiten nachhaltig zu verbessern und die Prävention neurologischer Krankheiten zu stärken. Um das umzusetzen, hat sie im Jahr 2022 zehn Einzelziele formuliert, die möglichst alle Länder innerhalb der nächsten zehn Jahre umsetzen sollen. Sie umfassen die Bereiche Versorgung, Forschung, aber auch Information der Bevölkerung und Kampagnenarbeit. Im „Global Status Report on Neurology“ wird turnusmäßig der Status quo der Zielerreichung dokumentiert.
„Es ist ein wichtiger Schritt, dass die WHO die Prävention neurologischer Erkrankungen zu einem politischen Handlungsfeld erklärt hat, und wir hoffen, dass auch die deutsche Gesundheitspolitik dieses Thema priorisieren und gemeinsam mit uns Strategien für Deutschland erarbeiten wird, um die neurologische Krankheitslast zu senken“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Denn neurologische Erkrankungen sind nicht nur häufig, sie nehmen auch kontinuierlich zu, und zwar in einem höheren Ausmaß als es allein der demografische Wandel erklären kann.“
Deutschland: Sehr hohe Qualität der Versorgung, zu wenig Prävention
Während in Ländern des globalen Südens der flächendeckende Zugang zu einer neurologischen Versorgung die größte gesundheitspolitische Herausforderung darstellt, sei Deutschland diesbezüglich im internationalen Vergleich gut aufgestellt, auch wenn Betroffene oft länger auf einen Facharzttermin warten müssen. Aber die Qualität der Versorgung sei sehr hoch, die Patientinnen und Patienten würden in Deutschland nach höchstem medizinischen Standard therapiert.
Einen großen Nachholbedarf sieht die DGN hingegen beim Thema Prävention: „Fast die Hälfte aller Demenzen und zwei Drittel aller Schlaganfälle wären vermeidbar – doch darüber wird in Deutschland kaum aufgeklärt, noch wird eine gesundheitsbewusste und damit präventive Lebensweise incentiviert“, erklärt DGN-Präsidentin Prof. Dr. Daniela Berg. Dabei lautet eines der zehn von der WHO formulierten Ziele, dass 80 % der Länder bis 2031 mindestens ein funktionierendes sektorenübergreifendes Programm zur Förderung der Gehirngesundheit und zur Prävention neurologischer Erkrankungen anbieten sollen. Bisher fehlt allerdings ein solches Programm in Deutschland, es gibt auch keinen das Spektrum der neurologische Erkrankungen umfassenden Nationalen Strategieplan.
„Jedes Jahr erleiden 270.000 Menschen einen Schlaganfall und 360.000 erkranken neu an einer Demenz. Hinzu kommt die zunehmende Zahl von Parkinson-, MS- und ALS-Betroffenen sowie die vielen Menschen, die mit einer Epilepsie, neuropathischen Schmerzen und anderen neurologischen Erkrankungen leben. Neurologische Krankheiten sind also allgegenwärtig und das macht deutlich, wie dringend wir strukturierte Präventionsprogramme benötigen. Wir suchen nun intensiv das Gespräch mit der Politik, um auch in Deutschland die von der WHO gesteckten und in vielen anderen Ländern schon angegangenen und zum Teil realisierten Ziele zeitnah umsetzen zu können“, erklärt DGN-Präsidentin Prof. Berg.
Quelle: idw
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