Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist die häufigste Erbkrankheit, die zu Nierenversagen führen kann. Eine genaue Vorhersage des Krankheitsverlaufs ist sehr wichtig, um die richtigen Behandlungsmethoden zu wählen und Patientinnen und Patienten wirksam zu beraten. Die derzeit verfügbaren Prognoseinstrumente sind jedoch nicht sehr genau. Zudem erfordern sie MRT-Bilder oder genetische Untersuchungen, die nicht immer umsetzbar sind. Ein Forschungsteam der Universität zu Köln hat deshalb eine neue Methode zur Identifizierung von Biomarkern entwickelt, die am Fortschreiten des Krankheitsverlaufs beteiligt sind. Die Wissenschaftler/-innen entdeckten 29 Proteine, die mit der Abnahme der Nierenfunktion zusammenhängen.
Mehr als 1.000 Proben analysiert
Mithilfe der Massenspektrometrie erstellte das Team das Proteom – eine Liste aller Proteine, die in Blutproben von Patientinnen und Patienten einer der weltweit größten und am besten untersuchten ADPKD-Kohorten nachgewiesen wurden. Durch die Integration einer neuartigen Roboter-Pipeline in diesen Prozess analysierten sie mehr als 1.000 Proben und erstellten ein proteombasiertes Vorhersagemodell. Damit konnten sie 29 Proteine, die am Immunsystem, am Fetttransport und am Stoffwechsel beteiligt sind, identifizieren. Somit spielen sie auch eine entscheidende Rolle dabei, wie schnell die Nierenfunktion von Jahr zu Jahr abnimmt. „Das ermöglicht eine individuellere Behandlung von ADPKD, einer der häufigsten genetischen Ursachen für Nierenversagen“, sagt Professor Dr. Roman-Ulrich Müller, Principal Investigator am CECAD und Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Molekulare Medizin Köln (CMMC). Die Proteomikdaten liefern nicht nur Biomarker, sondern auch wichtige Informationen über die Mechanismen, die ADPKD vorantreiben. „Durch die Identifizierung spezifischer Proteine, die mit dem Krankheitsverlauf zusammenhängen, haben wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer genaueren und früheren Vorhersage gemacht. Diese Methode übertrifft die Leistungsfähigkeit der aktuell eingesetzten klinischen Instrumente“, fügt Müller hinzu. Die Wissenschaftler/-innen wollen nun untersuchen, wie aktuelle Behandlungsmethoden die Proteom-Muster von Patientinnen und Patienten beeinflussen, und neue proteombasierte Marker entwickeln, die die klinische Routineversorgung verbessern könnten.
Neue Strategien gegen Nierentransplantat-Verlust
Das BK-Virus (BKV) ist bei Nierentransplantatempfängern gefürchtet. Die meisten Menschen tragen es in sich. Es kann zu einer Entzündung der Niere führen. Vor allem durch die Immunsuppression nach einer Transplantation kann es die Nieren durch Reaktivierung schädigen. Eine solche BKV-Nephropathie betrifft bis zu zehn Prozent der Nierentransplantate und kann das Organ so stark schädigen, dass es nicht mehr funktioniert. Ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) will nun im Projekt stopBKVVorhersagemodelle für das individuelle Risiko einer BKV-Nephropathie entwickeln, Biomarker für bessere Diagnostik und Überwachung der Infektion finden und mit neuen zellulären Therapien das Virus direkt bekämpfen.
Biomarker im Urin messen
Derzeit gibt es keine wirksamen Biomarker, um das Risiko für eine Nierenentzündung festzustellen und diese zu überwachen. Die Behandlungen konzentrieren sich hauptsächlich darauf, die Immunsuppression anzupassen – eine Gratwanderung zwischen drohender Abstoßung des Transplantats und seiner Zerstörung durch die BKV-Infektion. „Weil zwar fast alle Transplantierten das BK-Virus im Körper haben, aber nur ein Teil von ihnen eine schwere Niereninfektion entwickelt, suchen wir zunächst nach Biomarkern für die verschiedenen Krankheitsverläufe“, sagt Professor Dr. Wilfried Gwinner. Dafür werden Daten des Nierenregisters der MHH genutzt. Es enthält klinische Daten, Nierengewebe-, Blut- und Urinproben von mehr als 1.800 Patientinnen und Patienten, die an der MHH eine Nierentransplantation erhielten. Gwinner hat es aufgebaut. Im zweiten Schritt machen sich die Forscherinnen und Forscher auf die Suche nach Gewebe-Biomarkern, die speziell von BK-Viren verursachte Transplantatschädigungen erkennen und von anderen Schädigungsursachen wie etwa einer Abstoßungsreaktion unterscheiden. „Wir konzentrieren uns dabei auf Biomarker, die wir ganz einfach im Urin messen können“, erklärt Professor Dr. Christian Hinze. Mit Hilfe von Spatial Transcriptomics, die Einzelzell-RNA-Sequenzierung mit bioinformatischer Geweberekonstruktion kombiniert, lässt sich wie in einem Puzzle feststellen, an welcher Stelle in der Niere die gemessene Schädigung auftritt. „So ersparen wir den Patientinnen und Patienten belastende Gewebeentnahmen, die eine BK-Virusinfektion in einem Teil der Fälle nicht einmal sicher entdecken können“, sagt der Oberarzt.
BKV mit fremden T-Zellen bekämpfen?
Außerdem will das Forschungsteam herausfinden, welche Transplantatempfänger in der Lage sind, trotz ihres heruntergefahrenen Immunsystems die BK-Viren selbst zu beseitigen und welche nicht. Dabei richten Professorin Dr. Britta Eiz-Vesper vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering und Professorin Dr. Britta Maecker-Kolhoff aus der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie den Blick auf die BKV-spezifischen T-Zellen. Das sind Immunzellen, die das Virus gezielt erkennen und beseitigen. „Patientinnen und Patienten mit schwachen T-Zell-Reaktionen und einer beträchtlichen BKV-bedingten Nierenschädigung könnte eine sogenannte adoptive T-Zelltherapie eine neue Behandlungsmöglichkeit bieten“, stellt Oberärztin Professorin Maecker-Kolhoff fest. Bei diesem Verfahren werden lebende Immunzellen von Gesunden isoliert und dann dem Patienten mit Hilfe einer Transfusion verabreicht. T-Zellen sind vielversprechende Kandidaten, da sie die krankmachenden Antigene passgenau erkennen und ihre Zielzellen töten können. Auf diese Weise soll eine spezifische zelluläre Immunität von gesunden Menschen auf Kranke übertragen werden.
Verträgliche T-Zellen von Spendern verwenden
Das Verfahren haben die beiden Wissenschaftlerinnen bereits erfolgreich bei schweren Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) angewendet. Die Immunzellen stammen aus dem deutschlandweit einmaligen T-Zell-Spenderregister alloCELL der MHH. Dies besteht seit 2013 und führt inzwischen mehr als 4.500 potenzielle Spenderinnen und Spender. „Dank unserer Erfahrung sind wir in der Lage, die T-Zellen innerhalb weniger Tage herzustellen“, sagt Professorin Eiz-Vesper. Das gelingt so zügig, weil im alloCELL-Register nicht nur die für die Wirksamkeit und Verträglichkeit wichtigen HLA-Gewebemerkmale der Blutzellen gespeichert sind, sondern gleichzeitig auch die Anzahl spezifischer T-Gedächtniszellen gegen die unterschiedlichen Viren. „So können wir für eine Zelltherapie sehr schnell wirksame und verträgliche T-Zellen von Spendern verwenden, auch wenn sie mit den potenziellen Empfängern nicht verwandt sind.“
Individualisiertes Diagnose- und Behandlungsschema
Das Forschungsteam will nun untersuchen, welche viralen Antigene und welche HLA-Marker ausgewählt werden müssen, um eine wissenschaftlich nachgewiesene, optimale Spenderauswahl für die personalisierte T-Zell-Therapie von Nierentransplantierten mit schwacher BK-Virusabwehr zu ermöglichen. Gesamtziel des Projektes ist es, ein genau auf die jeweiligen Patientinnen und Patienten zugeschnittenes klinisches Diagnose- und Behandlungsschema zu entwickeln. „Dieser Ansatz der personalisierten Medizin soll für die klinische Praxis geeignet sein und kann dann in einer zukünftigen klinischen Studie getestet werden“, sagt Professor Hinze.
Quelle: idw/Uni Köln/MHH
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