Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern, in Deutschland erhalten jährlich etwa 75.000 Männer diese Diagnose. Zwar können auch jüngere Männer an diesem Krebs erkranken, insgesamt gelten Prostatatumoren aber als Alterserkrankung: Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 72 Jahren. Aufgrund des demografischen Wandels ist perspektivisch mit einem Anstieg der absoluten Fallzahlen zu rechnen. Die Behandlung von Prostatakrebs mit Lutetium-177 PSMA ist noch relativ neu. Diese Radioligandentherapie, eine Form der nuklearmedizinischen Therapie, gilt für bestimmte Tumore als besonders vielversprechend. Eine mögliche Nebenwirkung sind allerdings Einschränkungen der Nierenfunktion, die im Laufe der Behandlung auftreten. In einer aktuellen Studie hat ein Forschungsteam aus den Kliniken für Radiologie und Nuklearmedizin des TUM (Technische Universität München) Klinikums Daten von 121 Patienten unter die Lupe genommen. „In einer früheren Arbeit hatten wir festgestellt, dass Patienten, deren Nierenwerte nach einer Lutetium-177-PSMA Therapie schlechter wurden, Veränderungen im Nierengewebe aufwiesen“, sagt Erstautorin Dr. Lisa Steinhelfer. „Da Gewebeproben, mit denen sich das feststellen ließe nicht routinemäßig entnommen werden können, wollten wir untersuchen, ob sich diese Veränderungen auch auf andere Weise nachweisen lassen.“
CT zur Kontrolle?
Lisa Steinhelfer und ihre Kolleginnen und Kollegen haben einen Ansatz gewählt, der keinerlei zusätzliche Belastung für die Betroffenen bedeutet. Es werden ohnehin routinemäßig zu verschiedenen Zeitpunkten Computertomografie-Aufnahmen erstellt und Blutwerte erfasst, um den Erfolg der Behandlung zu messen. Die Münchner Forschenden überprüften eine Vielzahl von Faktoren aus diesen standardmäßig erfassten Daten, um frühe Anzeichen für Nierenschäden zu finden. Dabei zeigte sich, dass Veränderungen des Nierenvolumens aussagekräftig waren:War sechs Monate nach Behandlungsstart das Volumen der Nieren um zehn Prozent oder mehr verringert, war die Nierenfunktion mit großer Wahrscheinlichkeit nach weiteren sechs Monaten deutlich eingeschränkt. „Die Veränderungen des Nierenvolumens sind so klein, dass sie bei einer routinemäßigen Begutachtung der Aufnahmen leicht übersehen werden können. Ärztinnen und Ärzte suchen ja in erster Linie Tumore und andere schwerwiegende Probleme“, sagt Prof. Matthias Eiber, gemeinsam mit Prof. Rickmer Braren Letztautor der Studie. „Bildanalyse-Algorithmen erkennen dagegen selbst kleine Veränderungen zuverlässig, wenn man sie vorher darauf trainiert“, ergänzt Dr. Friederike Jungmann, wie Dr. Lisa Steinhelfer Erstautorin der Studie.
Individuellere Anpassung der Therapie
„Wenn erkennbar ist, dass ein Patient nach sechs Monaten Behandlung ein erhöhtes Risiko für eine spätere Nierenfunktionseinschränkung hat, könnte man sowohl die Anzahl der Therapiezyklen als auch die verabreichte Aktivität im Rahmen eines individuellen Therapiekonzepts gezielt anpassen“, sagt Steinhelfer. Derzeit nimmt das TUM Klinikum auch an zwei prospektiven Studien zu diesem Thema teil. In einer früheren Arbeit konnte das Team um Steinhelfer bereits zeigen, dass Größenveränderungen der Milz früh auf Probleme bei der Blutbildung hinweisen. „Viele Krebstherapien können zu Funktionsstörungen der Leber oder des blutbildenden Systems führen. Ich gehe davon aus, dass sich durch unseren Ansatz bei einer großen Anzahl an Therapien mögliche Nebenwirkungen bereits im Frühstadium erkennen lassen“, betont Steinhelfer.
Verkürzte Hormonentzugstherapie zusätzlich zur Strahlentherapie?
Eine zweite Studie (Phase 2) in Italien beschäftigte sich mit der Frage, ob bei Patienten mit regionalem und nicht-regionalem Lymphknotenbefall oder mit Knochenmetastasen die Hinzunahme einer kurzen, lediglich sechsmonatigen Hormonentzugstherapie zur Strahlentherapie das klinische progressionsfreie Überleben signifikant verbessert. Dieser Ansatz ist wichtig, da laut DEGRO immer noch 18 Prozent der Betroffenen erst im metastasierten Stadium diagnostiziert werden, wenn keine echte Heilung mehr möglich ist. Die italienische Studie untersuchte nun zwei Therapieoptionen bei Patienten mit hormonsensitiven Prostatakarzinomen, bei denen es nach lokaler Therapie des Tumors im weiteren Verlauf der Erkrankung zum (regionalen oder nicht-regionalen) Lymphknotenbefall oder zur Bildung von bis zu drei Knochenmetastasen gekommen war: 105 Patienten wurden randomisiert, 52 erhielten eine stereotaktische Strahlentherapie (SBRT/30 Gy in drei Fraktionen jeden zweiten Tag), 53 Patienten erhielten zusätzlich zur Bestrahlung eine Hormonentzugstherapie mit einem luteinisierenden Hormon-Releasing-Hormon-Analogon über sechs Monate (zwei Injektionen: die erste innerhalb von einer Woche nach Beginn der SBRT, die zweite nach drei Monaten). Der primäre Endpunkt war das klinische progressionsfreie Überleben.
Zusatztherapie zahlt sich aus
Die DEGRO verweist darauf, dass sich im Ergebnis gezeigt habe, dass die Patienten von der Zusatztherapie profitierten. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 31 Monaten (IQR 16-36) wurde bei 60 der 105 Patienten ein Fortschreiten beobachtet: Bei 35 in der Gruppe, die nur bestrahlt wurde, und bei 25 in der Gruppe, die zusätzlich die Antihormontherapie erhalten hatte (69 % vs. 49 %). Bei letzterer dauerte es im Median 32,2 Monate, bis es zur Progression kam, bei den ausschließlich bestrahlten Patienten hingegen nur 15,1 Monate. Kritisch wird von der DEGRO angemerkt, dass es allerdings einen großen Anteil Patienten gegeben habe, die nur einen Lymphknotenbefall im Becken aufwiesen und es waren weniger Patienten rekrutiert worden als vorgesehen. Zudem sei laut DEGRO die Frage nach einem Überlebensvorteil nicht beantwortet worden. Größere Studien werden angemahnt.
Quelle: idw/TUM/DEGRO
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