Speichelproben für diagnostische Mikrobiomtests?

Einsatz für gezielte Prävention denkbar
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Ein Mann nimmt eine Speichelprobe.
© Biewer_Jürgen/stock.adobe.com
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Lässt sich künftig mithilfe einer Speichelprobe Aufschluss über die Bakterienzusammensetzung im Magen und Dünndarm gewinnen und damit Risiken für bestimmte Erkrankungen abschätzen?

Das orale Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Bakterien im Mundraum spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit eines Menschen: Es beeinflusst das Risiko und den Verlauf zahlreicher Erkrankungen von der Mundhöhle bis zur Speiseröhre und dem Magen sowie von Entzündungen im Darm und Infektionen der Atemwege und des Herzens (Endokarditis). Es kann als Reservoir für Erreger dienen. Diese können zwar für gesunde Menschen harmlos sein, aber bei Personen mit geschwächtem Immunsystem schwere Krankheiten auslösen. Eine Untersuchung der Universität Hohenheim in Stuttgart kommt nun zu dem Schluss, dass eine Speichelprobe künftig wertvolle Hinweise auf die Zusammensetzung des Mikrobioms in Magen und Dünndarm liefern könnte. Damit könnten sich auch individuelle Risiken für Erkrankungen besser abschätzen lassen. Menschen können sich demnach verschiedenen Mikrobiomtypen zuordnen lassen. Besonders auffällig war ein Mikrobiomtyp, der von der Bakteriengattung Prevotella-7 dominiert wird: Personen mit diesem Profil weisen weniger potenziell krankmachende Bakterien und niedrigere Werte des Entzündungsmarkers TNF-α auf, der eine zentrale Rolle bei vielen chronisch-entzündlichen Erkrankungen spielt. 

Untersuchung ohne Magenspiegelung

„Das Mikrobiom von Magen und Dünndarm ist jedoch noch verhältnismäßig unerforscht“, so W. Florian Fricke, Professor am Fachgebiet Mikrobiom und Angewandte Bioinformatik. „Um Proben aus Magen und Dünndarm zu nehmen, müssen sich Patientinnen/Patienten oder Studienteilnehmer/-innen einer aufwendigen und unangenehmen Magenspiegelung unterziehen. Viel einfacher und unkomplizierter lassen sich Speichelproben aus dem Mund gewinnen“, erklärt der Experte. In einer Studie mit 20 Personen, die sich wegen leichter nahrungsmittelbedingter Magen-Darm-Beschwerden einer Magenspiegelung unterziehen mussten, konnten die Forschenden zwei stabile Mikrobiomtypen in Speichel, Magen und Dünndarm identifizieren. Diese bakteriellen Gemeinschaften waren bei den betreffenden Personen vom Mundraum bis in den Magen und Dünndarm konstant und wurden von jeweils einer Bakteriengattung dominiert.

Datensatz der REIMAGINE-Studie bestätigt Ergebnisse

An einem öffentlich zugänglichen Datensatz von 254 Menschen, die an der sogenannten REIMAGINE-Studie teilnahmen, konnte das Forschungsteam die Ergebnisse bestätigen. Dabei handelt es sich um eine groß angelegte Forschungsinitiative des Cedars-Sinai Medical Center in den USA, die sich mit der Zusammensetzung und Funktion des Dünndarm-Mikrobioms bei Gesundheit und Krankheit des Menschen beschäftigt. Besonders interessant ist der Speichel-Mikrobiomtyp, in dem die Bakteriengattung Prevotella-7 vorherrscht. Teilnehmende beider Studien mit diesem Profil wiesen geringere Mengen potenziell krankmachender Bakterien auf, darunter Arten, die mit Endokarditis (Herzinnenhautentzündung) oder Darmkrebs in Verbindung stehen. Außerdem hatten sie niedrigere Werte des Entzündungsmarkers TNF-α im Blut. Da dieses Protein als Zytokin bei vielen chronisch-entzündlichen und Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle spielt, könnte das auf ein insgesamt geringeres Risiko für Entzündungen und Infektionen bei Menschen mit diesem Mikrobiomtyp hinweisen. Prevotella spp. sind obligat anaerobe, Gram-negative Stäbchenbakterien, die zur Familie der Prevotellaceae gehören. Die Gattung umfasst insgesamt über 30 Spezies. 

Gefahr der Kontaminationen 

Die Ergebnisse basieren auf einem neu entwickelten Verfahren, mit dem sich auch aus den vergleichsweise bakterienarmen Proben aus Speichel, Magen und Zwölffingerdarm verlässliche Aussagen über das Mikrobiom ableiten lassen. „Aufgrund der geringen Bakterienzahl kann schon ein geringer Eintrag von Bakterien, die nahezu überall in der Umwelt und im Labor vorkommen, bei der Aufarbeitung der Proben zu Verunreinigungen führen, die die Ergebnisse stark verfälschen“, erklärt Doktorandin Nina Schmidt die Problematik. Um die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, schloss das Forschungsteam deshalb mögliche Verunreinigungen durch strenge Kontrollen in allen Arbeitsschritten aus.

Kombination aus DNA und RNA genutzt

Grundlage für ihre Analysen ist das Erbgut der Bakterien. „Wir nutzten eine Kombination aus DNA und RNA, die sich in den Proteinfabriken der Zelle, den Ribosomen, befindet. RNA kann nur aus aktiven, lebensfähigen Mikroben isoliert werden“, beschreibt die Wissenschaftlerin das Vorgehen. „So können wir zum Beispiel aktive Bakterienarten im Dünndarm von toten, verschluckten und inaktiven Bakterien aus dem Mund oder der Nahrung unterscheiden und die Zusammensetzung der relevanten bakteriellen Gemeinschaften in Magen und Dünndarm besser beschreiben.“

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Speichelproben künftig in nicht-invasiven und regelmäßig wiederholbaren diagnostischen Tests eingesetzt werden könnten, um das individuelle Risiko für bestimmte entzündliche und infektiöse Erkrankungen abzuschätzen“, fasst Professor Fricke die Erkenntnisse zusammen.

Gezielte Prävention denkbar

„Eine solche Diagnostik könnte in der klinischen Praxis helfen, Risikogruppen frühzeitig zu identifizieren und gezielte Präventionsmaßnahmen, zum Beispiel prophylaktische Antibiotikabehandlungen, einzuleiten. Angesichts der leichten Handhabung und geringen Belastung für die Patientinnen/Patienten könnten sich damit neue Wege für Speicheltest-basierte personalisierte Mikrobiom-Untersuchungen zur Prävention, Früherkennung und Beobachtung von Erkrankungen eröffnen“, schlägt Fricke vor.

Literatur:
Schmidt NS, Dörner E, Podlesny D, et al.: Contamination-controlled upper gastrointestinal microbiota profiling reveals salivary-duodenal community types linked to opportunistic pathogen carriage and inflammation. Gut Microbes, 2025, 17 (1), DOI: https://doi.org/10.1080/19490976.2025.2539452

Quelle: Uni Hohenheim

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