Tumortherapie mit radioaktiven Ionenstrahlen?

Wirksamste und präziseste Strahlentherapietechnik?
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Abgebildet ist der SIRMIO-PET-Detektor.
BARB-Experimentaufbau: Der an der LMU München entwickelte SIRMIO-PET-Detektor ermöglicht die präzise Ortung des Ionenstrahls im Körper. © GSI/FAIR
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Beim Forschungsprojekt „BARB – Biomedical Applications of Radioactive ion Beams“ wurde mit der ersten Behandlung eines Tumors bei einer Maus mit radioaktiven Ionenstrahlen ein wichtiger Meilenstein erreicht.

Bei der Studie wurde die erste Behandlung eines Tumors bei einer Maus mit radioaktiven Ionenstrahlen demonstriert. Dies markiere einen entscheidenden Fortschritt für die Weiterentwicklung der Teilchentherapie und basiere auf einer intensiven Zusammenarbeit verschiedener GSI-Abteilungen und FAIR-Forschungssäulen sowie dem Lehrstuhl für Medizinische Physik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die mit einem Team unter der Leitung von Professorin Katia Parodi als assoziierter Partner beitrage, so die GSI. Im Zentrum von BARB und der nun veröffentlichten Arbeit steht die Idee, radioaktive Ionenstrahlen (RIB) gleichzeitig zur Behandlung und zur Bildgebung während der Therapie einzusetzen. Diese Herangehensweise könnte die sogenannte Reichweitenunsicherheit – eine der größten Herausforderungen in der Teilchentherapie – deutlich reduzieren. Auch wenn die Idee bereits vor fast 50 Jahren am Lawrence Berkeley Laboratory vorgeschlagen wurde, wurde sie erst durch die intensiven Strahlen machbar, die bereits jetzt bei GSI/FAIR im laufende Experimentierbetrieb „FAIR-Phase 0“ erzeugt werden können. Die nun vorgelegte Arbeit belege nun erstmals die Machbarkeit und das große Potenzial des Konzepts unter realistischen Bedingungen. 

Strahl für die Behandlung und für die Bildgebung

Professor Marco Durante, Leiter der Abteilung Biophysik am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, erklärt: „Die Teilchentherapie ist stark im Wachstum begriffen und ist möglicherweise die wirksamste und präziseste Strahlentherapietechnik. Doch ihre Anwendung ist durch technische Grenzen wie unzureichende Bildführung noch eingeschränkt. Die neue Idee, den selben Strahl für die Behandlung und für die Bildgebung während der Behandlung zu verwenden, kann den Weg für noch präzisere und vielseitigere Anwendungen ebnen. Die Verbesserung der Genauigkeit ist der Schlüssel zur Erweiterung der Anwendbarkeit der Teilchentherapie.“ Dies könnte auch eine bessere Behandlung von Metastasen oder Tumoren in der Nähe kritischer Strukturen und von kleinen Zielen bei nicht-krebsartigen Krankheiten, wie etwa ventrikulären Ablationen bei Herzrhythmusstörungen, erlauben.

Erfolgreicher Einsatz bei einer Maus

In ihrer Veröffentlichung berichten die Forschenden über die erfolgreiche Behandlung eines Knochentumors (Osteosarkom) einer Maus mit einem radioaktiven Kohlenstoff-Ionenstrahl (11C, das ein Positron mit einer Halbwertszeit von etwa 20 Minuten emittiert). Der Tumor lag im Halsbereich in der Nähe des Rückenmarks, ein hoch sensibler Bereich, in dem bereits Abweichungen von wenigen Millimetern im Strahlbereich zu einer unbeabsichtigten Dosisabgabe in die Wirbelsäule und damit zu einer Schädigung des Rückenmarks führen können. Die Forschenden konnten eine vollständige und sehr präzise Tumorkontrolle mit der höchsten Strahlendosis von 20 Gray erreichen, ohne Lähmungen oder andere schwerwiegende neurologische Nebenwirkungen.

In-Beam-Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Scanner

Eine wichtige Rolle bei BARB spielt ein an der LMU München entwickelter Detektor, der die präzise Ortung des Ionenstrahls im Körper ermöglicht. Ein internationales und interdisziplinäres Team am Lehrstuhl für Medizinische Physik von Professorin Parodi hat in Zusammenarbeit mit dem Labor von Professor Taiga Yamaya (QST-Chiba) einen hochauflösenden und hochempfindlichen In-Beam-Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Scanner für Kleintiere entwickelt. Das System entstand ursprünglich im Rahmen des ERC Consolidator Grant „SIRMIO – Small animal proton irradiator for research in molecular image-guided radiation-oncology“ für Professorin Parodi zur Überwachung der strahleninduzierten Aktivität von Protonenstrahlen und wurde in den vergangenen Jahren im Rahmen des BARB-Projekts weiterentwickelt. Damit sollten dann radioaktive Ionenstrahlbehandlungen in Echtzeit überwacht werden. „Das BARB-Projekt war ein wichtiger Meilenstein für die erste In-vivo-Anwendung fortschrittlicher Instrumente, die wir in den letzten Jahren an der LMU entwickelt haben, um neue Grenzen in der hochpräzisen bildgesteuerten Strahlenforschung an Kleintieren zu erschließen,“ erläutert die LMU-Projektleiterin Parodi.

Direkte Impulse für medizinische Anwendungen

„Unsere Arbeiten haben sich auf die In-Beam-PET-Datenerfassung in Echtzeit und die Bildrekonstruktion konzentriert. Damit trugen wir zur ersten erfolgreichen Demonstration der Tumorkontrolle mit bildgesteuerter radioaktiver Ionenstrahltherapie bei Mäusen bei”, sagt Co-Erstautor Giulio Lovatti, der im Rahmen seiner Doktorarbeit in Physik an der LMU die PET-Daten analysierte. „BARB zeigt eindrucksvoll, wie angewandte Kernphysik direkte Impulse für medizinische Anwendungen liefern kann“, sagt Projektleiter Durante. Hauptziel von BARB war es, die erste In-vivo-Tumorbehandlung mit radioaktiven Ionenstrahlen und Online-Reichweitenüberprüfung durch PET durchzuführen. 

Weitere kurzlebige Isotope untersuchen

„Wir kommen zu dem Schluss, dass die bildgesteuerte Partikeltherapie mit exotischen Strahlen durchführbar, sicher und wirksam ist“, teilen die Forschenden mit und blicken in die Zukunft. Weitere kurzlebige Isotope sollen untersucht werden, von denen sich die Forschung ein stärkeres Signal und eine schnellere Rückmeldung bei der Behandlung verspricht. „Wir planen, diese Experimente am Fragmentseparator Super-FRS durchzuführen, der derzeit bei FAIR gebaut wird und die Intensität der sekundären radioaktiven Strahlen erhöhen wird“, sagt Durante und fasst zusammen: „Unsere präklinischen Ergebnisse zeigen die Machbarkeit der RIB-Strahlentherapie und weisen damit den Weg in Richtung zukünftiger klinischer Anwendungen radioaktiver Ionenstrahlen.“

Literatur:
Boscolo D, Lovatti G, Sokol O, et al.: Image-guided treatment of mouse tumours with radioactive ion beams. Nat. Phys. (2025), DOI: doi.org/10.1038/s41567-025-02993-8.

Quelle: idw/GSI

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