Eine der wichtigsten Studien in den vergangenen Wochen dürfte die Untersuchung der Immunfunktion nach einer SARS-CoV-2-Infektion aus China sein [1]. Schon bisher gab es Erkenntnisse, dass Lymphozyten bei COVID-19-Patienten abnehmen. Unklar ist bisher aber noch, wie lange diese Veränderungen bestehen bleiben. In China wurden von Januar 2021 bis August 2024, also auch in der Omikron-Ära, bei über 40.000 Patienten die Lymphozyten analysiert. Untersucht wurde die Phase vor COVID-19, während der Masseninfektionen in China und nach der Welle. Die Anzahl der Lymphozyten-Subpopulationen und das CD4+/CD8+-Verhältnis wurden mittels Mann-Whitney-U-Test bzw. Kruskal-Wallis-Test verglichen. Monatliche Daten nach der Exposition wurden mit Daten vor der Exposition verglichen, um die Persistenz der Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf die Lymphozyten-Subpopulationen zu beurteilen.
Rückgang von T-Zellen
Es zeigte sich, dass während der Masseninfektion die Anzahl der T-Zellen, CD4+-T-Zellen, CD8+-T-Zellen, NK-Zellen und B-Zellen signifikant zurück ging. Das Erstaunliche: Selbst 20 Monate nach der Infektion lagen die CD8+-T-Zellen noch 9,9 % unter dem Ausgangswert. Die Lymphozyten-Subpopulationen zu Beginn der Infektion unterschieden sich signifikant nach Geschlecht und Alter. Die Immunrekonstitution variierte je nach Alter und Geschlecht, wobei ältere Erwachsene und Männer eine anhaltende Lymphopenie aufwiesen. Besonders beunruhigend: Bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen blieben die T-Lymphozyten 20 Monate nach der Infektion um 72,9 % unter dem Ausgangswert. Entsprechend schlussfolgern die Autoren, dass eine SARS-CoV-2-Infektion eine Erkrankung mit lang anhaltender Immunschwäche sei. Es wird die Notwendigkeit einer personalisierten Behandlung betont.
Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion auf das Gehirn
Schon länger gibt es immer wieder Untersuchungen zu den Auswirkungen des Virus auf das Gehirn. Bei einer neuerlichen Studie [2] wurde eine Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen COVID-19 und dem Risiko psychischer Erkrankungen durchgeführt. Nach Auswahl erfüllten 28 Kohorten mit insgesamt 977.434.207 Teilnehmenden die Einschlusskriterien. Es zeigte sich ein um 40 % erhöhtes Risiko (RR = 1,40, 95%-KI: 1,23 bis 1,59; absolute Risikodifferenz = 31 zusätzliche Fälle pro 1.000 Personen, 18 bis 45 zusätzliche Fälle) für psychische Erkrankungen bei COVID-19-Patienten im Vergleich zu nicht exponierten Personen. Zusätzlich wird ein Zusammenhang zwischen COVID-19 und dem Risiko für Angststörungen, affektive Störungen, bipolare Störungen oder verwandte Störungen, depressive Störungen, unspezifische affektive Störungen, neurokognitive Störungen, Demenz, leichte kognitive Störungen, unspezifische neurokognitive Störungen, psychotische Störungen, Stress- und Anpassungsstörungen, posttraumatische Belastungsstörung und die Verschreibung von Psychopharmaka vermutet. Die Autoren folgern daraus, dass die Ergebnisse auf einen Zusammenhang zwischen COVID-19 und dem Risiko für psychische Störungen sowie der Verschreibung von Psychopharmaka hindeuten. Es sei daher unerlässlich, dass Einzelpersonen auf mögliche psychische Probleme im Zusammenhang mit COVID-19 achten.
Untersuchung von Beschäftigten im Gesundheitswesen
Ziel einer Studie [3] aus Großbritannien war es, Symptommuster bei Beschäftigten im Gesundheitswesen mit und ohne Long COVID zu untersuchen, die häufigsten Long-COVID-Symptomgruppen zu identifizieren und zu analysieren, wie diese Symptomprofile in verschiedenen ethnischen Gruppen, demografischen Merkmalen, klinischen Faktoren und beruflichen Funktionen im britischen Gesundheitswesen variieren. Es wurden in die Studie Personen ab 16 Jahren mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich, die als Beschäftigte im Gesundheitswesen oder als Hilfskräfte in einer Gesundheitseinrichtung arbeiten und/oder bei einer der sieben großen britischen Berufsverbände für Gesundheitsberufe registriert sind, aufgenommen.
Viele Long-COVID-Betroffene
Von den4.033 Beschäftigten im Gesundheitswesen mit einer COVID-19-Anamnese berichteten diejenigen mit Long COVID (26,5 %; 1.067/4.033) häufiger über systemische, neurologische und psychische Symptome als diejenigen ohne Long COVID. Bei den Long-COVID-Betroffenen waren die am häufigsten genannten Symptomgruppen neurokognitive/neurologische (63,4 %), kardiopulmonale (40,0 %) – am häufigsten bei asiatischen Beschäftigten im Gesundheitswesen mit 45,6 % – und systemische Symptome (54,6 %), die insbesondere Farbige und Angehörige gemischter ethnischer Gruppen mit 64,0 % bzw. 63,9 % betrafen. In multivariaten Analysen wiesen asiatische Beschäftigte im Gesundheitswesen eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten kardiopulmonaler Symptome auf (adjustierte Odds Ratio (aOR): 1,62, 95 %-KI 1,04–2,51, p = 0,032), während weibliche Beschäftigte im Gesundheitswesen eher gastrointestinale (aOR: 3,78, 95 %-KI 1,14–12,45, p = 0,029) und neurokognitive Symptome (aOR: 1,58, 95 %-KI 1,10–2,28, p = 0,014) aufwiesen. Im Vergleich zu medizinischem Personal berichteten Pflegekräfte (aOR: 2,50; 95 %-KI: 1,32–4,72; p = 0,005), Angehörige anderer Gesundheitsberufe (aOR: 1,82; 95 %-KI: 1,01–3,30; p = 0,048) und Zahnärzte (aOR: 3,07; 95 %-KI: 1,31–7,17; p = 0,010) häufiger über muskuloskelettale Symptome. Eine COVID-Impfung mit zwei oder drei Dosen wirkte protektiv gegen verschiedene Symptomgruppen, darunter kardiopulmonale, muskuloskelettale und neurokognitive Symptome.
Long COVID wurde dabei definiert als Symptome, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion mindestens 12 Wochen lang anhalten. 28 Symptome wurden in sieben Gruppen zusammengefasst: kardiopulmonale, gastrointestinale, muskuloskelettale, neurokognitive/neurologische, Symptome der oberen Atemwege, psychische/soziale und systemische Symptome. Die Studienautoren schlussfolgern, dass diese Ergebnisse die Notwendigkeit gezielter Unterstützungsstrategien und Anpassungen am Arbeitsplatz unterstreichen. Berücksichtigt werden sollten sowohl berufsbezogene Risiken als auch individuelle soziodemografische Faktoren.
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