Krankheit: Erstmals der häufigste Grund für Überschuldung

Universität Witten/Herdecke fordert stärkere Prävention
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Zum ersten Mal seit Beginn der amtlichen Erhebungen zu den Hauptursachen von Überschuldung sind Krankheit, Sucht oder Unfall die häufigsten Auslöser für private Überschuldung in Deutschland. Das zeigen aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) für das Jahr 2024.

Mit 18,1 % liegt der Anteil noch vor Arbeitslosigkeit (17,4 %). Prof. Dr. Eva Münster, Inhaberin der Professur für Allgemeinmedizinische Versorgungsforschung in vulnerablen Bevölkerungsgruppen am Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (iamag) der Universität Witten/Herdecke (UW/H), sieht darin ein alarmierendes Signal – und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

„Eine schwere Krankheit trifft viele Menschen doppelt: gesundheitlich und finanziell“, erklärt Prof. Münster. „Die damit verbundene finanzielle Belastung wird bisher viel zu wenig wahrgenommen – in der Forschung, in der Versorgung und in der Politik.“

Die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, was Betroffene seit Jahren berichten: Wer ernsthaft erkrankt, rutscht schnell in finanzielle Not. Gründe sind unter anderem Einkommensausfälle, gekoppelt mit Kreditzahlungen während längerer Krankheitszeiten, und hohe Zuzahlungen bei Medikamenten oder Rehamaßnahmen. Dabei deckt das Krankheitsspektrum der Betroffenen die gesamte Bandbreite medizinischer Diagnosen ab – von Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen (zum Beispiel ein schwerer Bandscheibenvorfall) über psychische Erkrankungen (zum Beispiel Depression) bis hin zu Krebs- und Kreislaufsystemerkrankungen (zum Beispiel Herzinfarkt).

Forschung im Rückstand

„Wir wissen, dass Krankheit zur Überschuldung führen kann – aber wir wissen viel zu wenig darüber, wie genau das passiert“, betont Münster. Zwar werde die Kategorie „Krankheit, Sucht oder Unfall“ in der Überschuldungsstatistik erfasst, doch differenzierte wissenschaftliche Erkenntnisse zu den genauen Mechanismen, etwa zur Rolle bestimmter Diagnosen oder psychischer Erkrankungen, fehlten weitgehend. Auch die Auswirkungen von Scham, sozialen Brüchen oder digitalen Konsummustern würden kaum erforscht. Besonders die Subgruppe der Suchterkrankungen wird in der Statistik nicht getrennt ausgewiesen, weil hierzu keine Daten vorliegen – ein Umstand, der dazu führen kann, dass gesellschaftliche Stigmatisierung weiterbesteht.

Prof. Dr. Eva Münster fordert vor allem einen Strategiewechsel: „Wir brauchen nicht mehr Reaktion, sondern zielgenauere Forschung und darauf aufbauende evidente Präventionsmaßnahmen. Wer eine schwerwiegende Diagnose erhält, muss frühzeitig auch über finanzielle Risiken aufgeklärt und unterstützt werden.“ Wie das genau erfolgen sollte, muss detailliert betrachtet werden, um den richtigen Zeitpunkt und die richtige Maßnahme bestimmen zu können.

Quelle: idw

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